Dunkle Herzen
sich hin, Songs aus den fünfziger Jahren, als sie beide noch gar nicht auf der Welt gewesen waren. Chip fand, daß der Singsang entschieden erträglicher wäre, wenn sich July an Lieder von Roy Clark gehalten hätte, doch der Idiot saß nur da, grinste wie ein Honigkuchenpferd und schmetterte irgendwelchen Unsinn in die Luft.
O Mann!
»Verdammt, July, was in aller Welt soll denn das für ein Lied sein?«
»Yakety Yak «, sang July grinsend.
»Du bist und bleibst ein Mondkalb«, brummte Chip.
Eigentlich war der Job halb so schlimm, dachte er, während die Mähmaschine unter ihm summte. Der Motor müßte allerdings mal überholt werden. Der Tag versprach warm und sonnig zu werden, und der süße Duft des Heus erfüllte die Luft. July mochte ja nicht alle Tassen im Schrank haben, aber wenigstens verrichtete er die Drecksarbeit. Er würde derjenige sein, der am Abend vom Heu zerstochen war.
Der Gedanke heiterte Chip etwas auf.
Nein, es ließ sich wirklich aushalten, grübelte er, zu seinem ursprünglichen Gedanken zurückkehrend. Wenn er doch bloß daran gedacht hätte, sein Radio mitzubringen. Damit hätte er Julys Quietschstimme wunderbar übertönen können.
Na ja, jedenfalls bedeutete der Job ein bißchen Extrageld. Nur ein bißchen, dachte er mit einem Anflug von Bedauern. Ma hatte ihm untersagt, Mrs. Stokey mehr als die Hälfte des üblichen Lohnes zu berechnen. Aber trotzdem konnte er die zusätzliche Einnahme gut brauchen. Das Baby benötigte dringend orthopädische Schuhchen. Babys brauchten immer irgend etwas. Doch beim Gedanken an seine kleine Tochter, die das wuschelige Haar ihrer Mutter und seine Augen geerbt hatte, mußte er lächeln.
Es war schon toll, Vater zu sein. Nach elfeinhalb Monaten kam sich Chip schon vor wie ein alter Hase. Er hatte schlaflose Nächte, die ersten Zähne, das Wechseln schmutziger Windeln und Kinderschutzimpfungen glücklich überstanden, und nun begann seine Kleine zu laufen. Wenn sie mit ausgestreckten Ärmchen auf ihn zugewatschelt kam, strahlte er stets vor Vaterstolz. Auch wenn sie die Füße leicht einwärts setzte.
Sein dümmliches Grinsen wich plötzlich dem Ausdruck von Neugier, dann verzog er angeekelt das Gesicht.
»Was zum Teufel stinkt denn hier so?«
»Ich dachte, du hast einen fahren lassen«, grinste July.
»Pfui Spinne!« Chip begann, vorsichtig durch die Zähne zu atmen. »Das treibt einem ja die Tränen in die Augen.«
»Irgend etwas Totes.« July zog ein Taschentuch hervor und preßte es vor den Mund. »I-gitt! Was ziemlich Totes.«
»Schlaumeier. Irgendein streunender Hund oder sonstwas muß sich hierhin geschleppt haben und ist dann im Heu verreckt.« Chip hielt die Maschine an. Das letzte, wonach ihm der Sinn stand, war, nach irgendeinem verfaulten räudigen Köter Ausschau zu halten, aber er konnte auch nicht riskieren, darüber hinwegzufahren. »Los, July, laß uns das verdammte Vieh suchen und wegschaffen.«
»Vielleicht isses ja ’n Pferd. Stinkt jedenfalls so. Wir sollten die Müllabfuhr rufen.«
»Wir rufen niemanden, ehe wir’s nicht gefunden haben.«
Sie kletterten von der Maschine herunter. Chip folgte Julys
Beispiel und band sich ein Tuch vor Mund und Nase. In Bodennähe war der Gestank noch schlimmer, er erinnerte ihn an den Tag, an dem er an der Eisenbahnlinie gespielt und dabei auf die Überreste eines Hundes gestoßen war, der das Pech gehabt hatte, von einem Zug erwischt zu werden – eine Erfahrung, die er nicht unbedingt wiederholen wollte.
»Hier irgendwo muß es sein«, japste er und bahnte sich einen Weg durch das noch nicht gemähte Gras. Es war zwar unangenehm, dafür aber nicht weiter schwierig, dem Gestank zu folgen, der wie eine fette giftige Wolke in der Luft hing.
Und dann wäre Chip beinahe darüber gestolpert.
»Großer Gott im Himmel!« Er schlug eine Hand vor den ohnehin schon bedeckten Mund und blickte July an.
Dessen Augen quollen förmlich aus den Höhlen. »Ach du Scheiße! Das ist kein Hund.« Hustend und würgend wandte er sich ab und stolperte hinter Chip her, der bereits über das frisch gemähte Gras rannte, als wären tausend Teufel hinter ihm her.
Eine halbe Stunde später stand Cam am selben Fleck und sog zischend den Atem ein. Er hatte geglaubt, nach zehn Jahren Polizeidienst den Tod in allen seinen gräßlichen Formen gesehen zu haben, aber ein so schrecklicher Anblick wie dieser war ihm bislang erspart geblieben.
Sie war nackt. Ihr Geschlecht ließ sich noch bestimmen, obwohl der
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