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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Nach ein paar Sekunden sammelte sie all ihren Mut zusammen und sah ihn wieder an. »Dränge mich bitte nicht. Und sei mir nicht böse.«
    »Ich bin nicht böse, ich mache mir Sorgen.«
    »Das kommt alles wieder in Ordnung.« Als sie sich an ihn kuschelte, war sie beinahe selbst davon überzeugt. »Dann wollen wir uns mal ansehen, wie ich mich vor versammeltem
Publikum blamiere. O je, es fängt an! Cam, wie wäre es, wenn wir …«
    Er legte ihr die Hand über den Mund.
    »Ein strahlender Stern am Kunsthimmel besucht unsere Gegend«, kündigte die Moderatorin an. »Clare Kimball, eine namhafte Bildhauerin …«
    »Pfui Teufel! Bildhauerin!« würgte Clare hinter Cams Hand hervor.
    »Sei doch mal still.«
    »… ist heute beim Bürgermeister von Emmitsboro zu Gast.
    Miss Kimball wurde selbst in Emmitsboro geboren und lebt heute in New York.«
    »Jegliche Form von Kunst ist immer auch ein Ausdruck von Emotionen.« Als Clares Gesicht den Bildschirm ausfüllte, zog sie Cams Hand von ihrem Mund weg vor ihre Augen. »Gerade der Bildhauer entwickelt häufig eine persönliche Beziehung zu seinen Werken, da tote Materie unter seinen Händen Leben annimmt.«
    »Du siehst großartig aus.«
    »Ich klinge wie ein kompletter Idiot.«
    »Nein, durchaus nicht. Ich bin beeindruckt. Ist das die besagte Schnitzerei?«
    Clare blinzelte durch ihre Finger. »Ja.«
    »Gar nicht so übel«, bemerkte er angenehm überrascht.
    »Das ist eine hervorragende Arbeit.« Sie spreizte die Finger etwas weiter, um besser sehen zu können.
    »Eine Skulptur«, fuhr ihr Fernsehbild fort, »wird oft aus den Gefühlen, Erinnerungen, Hoffnungen, Enttäuschungen und Träumen des Künstlers geboren, der auf diese Weise die Realität festhalten, erweitern oder verändern möchte. Zu diesem Zweck kann er mit einem Modell arbeiten oder aus der Quelle seiner Fantasie schöpfen.«
    »Können wir nicht wenigstens den Ton abstellen?«
    »Pschschtt.«
    »Die Ausdruckskraft und Ausstrahlung des fertigen Werkes hängt im wesentlichen von der momentanen Stimmung des Künstlers ab, wird aber auch durch die Wahl des
verwendeten Materials entscheidend beeinflußt. Ich betrachte meine Arbeit als einen Teil meines Selbst, wobei meine Kunst manchmal den besten Teil von mir verkörpert, manchmal aber auch die tiefsten Abgründe meiner Seele wiedergibt. In jedem Fall jedoch möchte ich meine Werke als Abbild dessen, was ich sehe, empfinde oder glaube verstanden wissen.«
    Clares Bild verschwand vom Bildschirm.
    »Bist du nun zufrieden? Ich habe entsetzlich geschwollen dahergeredet.«
    »Nein, deine Rede klang ehrlich und aufrichtig. Benutzt du manchmal deine Träume als Vorlage, Slim?«
    »Sicher, manchmal schon. Aber jetzt hör bitte auf damit, ich habe heute schon ein Interview durchgestanden.« Sie schlang die Arme um seinen Hals, ihre Fingerspitzen tanzten lockend über seinen Nacken. »Jetzt ist eine Schmusestunde angesagt.«
    »Sekunde noch. Die Figur, die dir gestohlen wurde, hast du die nach Bildern aus deinem Alptraum angefertigt?«
    »Vielleicht. Weiß ich nicht mehr.«
    »Wärst du imstande, das, was du in jener Nacht gesehen hast, zu zeichnen?«
    »Himmel, Cam.«
    »Du könntest es, nicht wahr?«
    Clare schloß die Augen. »Ja, das könnte ich.«

Vierzehntes Kapitel
    Chip Dopper zog es vor, unter einem Traktor zu liegen und daran herumzubasteln, statt ihn zu fahren. Für das Abmähen der Felder hatte er noch nie viel übrig gehabt, noch nicht einmal, wenn es sich um seine eigenen handelte. Und jetzt mußte er in aller Herrgottsfrühe auf Mrs. Stokeys Land Heu mähen. Aber seine Ma, die viel von guter Nachbarschaft und angewandter Nächstenliebe hielt, hatte es ihm aufgetragen, und wenn Ma etwas sagte, dann parierte man.
    Für Chip war die eintönige Routine, die Langeweile, die in dieser Art Arbeit lag, das schlimmste. Morgen für Morgen wurde gemäht und das Heu später dann zu Ballen gepreßt, und zu allem Übel thronte auch noch dieser Schwachkopf July Crampton hinter ihm auf dem Mähdrescher.
    July war ein Cousin dritten oder vierten Grades von Alice, das Ergebnis von Inzucht, wie es auf dem Lande häufiger vorkommt. Er mußte an die dreißig sein und war in Chips Augen ein Quälgeist, wie er im Buche steht, aber von harmlosem Gemüt. Er war klein und stämmig, und sein schlaffes, teigiges Gesicht leuchtete ständig ziegelrot. Im Moment fühlte er sich offenbar so wohl wie ein Frosch, der den Bauch voller Fliegen hat. Er sang schon die ganze Zeit halblaut vor

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