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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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hättest die Finger von dem Jungen lassen sollen«, meinte er im Plauderton. »Seine Seele gehört sowieso schon mir.« Er beugte sich zu ihr hinab, nahm ihr Gesicht in beide Hände und drehte es hin und her. »Deine Augen sind noch etwas glasig«, stellte er fest, »aber du verstehst, was um dich herum vorgeht.«
    »Allerdings, jetzt verstehe ich alles.« Ihre eigene Stimme
klang wie aus weiter Ferne an ihr Ohr. »Sie waren es. All die Jahre immer nur Sie. Sie haben dieses arme Mädchen getötet.«
    »Sie und andere. Der Gebieter fordert Blut.«
    »Das glauben Sie doch wohl selbst nicht.«
    Atherton schürzte die Lippen, wie er es oft tat, wenn er vor seiner Klasse stand. »Du wirst noch herausfinden, daß es ganz unwichtig ist, was ich glaube. Entscheidend ist, was sie glauben. Und sie werden dir, ohne mit der Wimper zu zucken, die Kehle durchschneiden, nur weil ich es ihnen befehle.«
    »Warum?«
    »Weil ich es genieße.« Er streifte seine Robe ab und lachte, als er das nackte Entsetzen in ihren Augen sah. »O nein, ich habe nicht vor, dich zu vergewaltigen, dazu fehlt mir sowohl Zeit als auch Lust. Aber es schickt sich nicht für den Bürgermeister, in anderer Kleidung als einem korrekten Anzug gesehen zu werden.« Ungerührt zog er ein Paar Boxershorts über seine mageren Beine.
    »Sie sind am Ende«, fauchte Clare, an ihren Fesseln zerrend. »Sie haben zu viele Fehler gemacht.«
    »Sicher, es wurden Fehler gemacht. Und wieder ausgemerzt.« Atherton schüttelte sein blütenweißes Hemd aus und untersuchte es auf Knitterfalten hin. »Der erste Fehler war dein Vater. Er hat mich schwer enttäuscht, Clare.«
    »Mein Vater hat niemals einen Menschen getötet. Er hätte sich nie einer so perversen Gruppe angeschlossen.«
    »Genau das hat er aber getan.« Atherton knöpfte sorgfältig sein Hemd zu, von unten nach oben. »Ein wertvolles Mitglied unserer Bruderschaft. So ein intelligenter, ehrgeiziger Mann, voll von Wissensdurst. Als er einer der Unseren wurde, brannte das Fieber so heiß in ihm, daß er mir so lieb war wie ein Bruder.« Der Bürgermeister ließ sich auf einem dreibeinigen Schemel nieder, um seine schwarzen Socken überzustreifen. »Es hat mich tief getroffen, als er sich von uns abwandte. Und wozu? Um sich einer nutzlosen, unsinnigen Religion hinzugeben.« Seufzend schüttelte er den Kopf. »Und was hat es ihm gebracht? Ich frage dich,
was hat es ihm gebracht? Er hat sich dem Trunk und einem heuchlerischen Gerechtigkeitsempfinden ergeben, und das alles nur, weil er nicht bereit war, sich mit uns zusammen weiterzuentwickeln und nach höheren Mächten zu streben.«
    In seiner oberlehrerhaften Art stützte er die Hände auf seine behaarten Oberschenkel und beugte sich zu ihr. »Ich habe die Menschenopfer nicht erfunden, meine Liebe. Es gibt sie schon seit Bestehen der Welt, und zwar nur deshalb, weil die Menschheit seit jeher den Drang zum Blutvergießen verspürt.« Er beobachtete sie. »Ich sehe, daß der Gedanke dich abstößt, so wie er Jack abgestoßen hat. Aber wenn du ganz ehrlich bist, mußt du dann nicht zugeben, daß dieser Abscheu eher eine Art Reflex ist?«
    Clare konnte nur schwach den Kopf schütteln. »Wie viele? Wie viele Menschen haben Sie auf dem Gewissen?«
    »Zahlen sind hier bedeutungslos, findest du nicht auch? Das erste Opfer war ein Test, den außer Jack jeder bestanden hat, und die Frau war schließlich nur eine Hure. Sie zu töten hatte einen eher symbolischen Wert. Vielleicht hätte Jack nicht so heftig, so negativ reagiert, wenn ich vorher mit ihm gesprochen und ihm die Gründe erklärt hätte. Nun, das habe ich allein zu verantworten.«
    Er griff nach seinen dunklen Hosen mit den messerscharfen Bügelfalten. »Man könnte sagen, daß mich Jack wegen einer Frau verlassen hat, obwohl unsere Beziehung rein spirituell und niemals physisch war. Aber er verließ mich und kehrte zu seinen Rosenkränzen und seinem kalten, geschlechtslosen Gott zurück. Und ich habe ihm vergeben.« Atherton stand auf, zog den Reißverschluß hoch und hob seinen Gürtel auf. »Er konnte es nicht riskieren, mich zu verraten, ohne seine Familie zu gefährden. Wir haben schließlich einen Eid geleistet und mit Blut unterzeichnet. Also tat Jack weiterhin, was ihm befohlen wurde, solange er es aushielt.«
    »Sie haben ihn bedroht.«
    »Er wurde mit den Regeln vertraut gemacht, ehe er das Mal empfing. Ich glaube, die Sache mit dem Bauland hat
den Ausschlag gegeben, obwohl ich das nicht verstehen konnte. Er

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