Dunkle Herzen
darf, aber die paar Dollar, die mich eine Hure kostet, sind ein geringer Preis für eine beständige, erfolgreiche Ehe, findest du nicht auch? Ach, entschuldige, du kannst ja nicht antworten.«
Er griff hinüber und entfernte den Knebel. »Schrei, soviel du willst. Hier hört dich keiner.«
Clare machte sich erst gar nicht die Mühe. Ihre Gedanken überschlugen sich fast. Mit gebundenen Händen, die noch dazu vom Sicherheitsgurt an ihren Körper gefesselt wurden, konnte sie noch nicht einmal versuchen, ihm ins Lenkrad zu greifen. Das war vielleicht auch besser so, dachte sie. Einen Autounfall würde sie eventuell nicht überleben, und überleben wollte sie, koste es, was es wolle. Am besten war es wohl, sie hielt Atherton weiterhin am Reden und achtete scharf darauf, in welche Richtung sie fuhren.
»Ihre Frau – weiß sie von dem, was Sie tun?«
»Min?« Auf Athertons Gesicht erschien ein liebevolles, nachsichtiges Lächeln. »Nun, ich schlage vor, wir lassen meine Min aus dem Spiel. Eine unserer Grundregeln lautet, unsere Frauen und Töchter nicht mit einzubeziehen. Wir sind sozusagen ein sehr exklusiver Männerverein. Du magst das ja sexistisch und diskriminierend finden, aber wir halten uns eher für wählerisch.«
»Ich kann nicht glauben, daß Dr. Crampton zu Ihnen gehört.«
»Er ist eines unserer Gründungsmitglieder. Du weißt
vermutlich nicht, daß er während seines Studiums ein kleines Drogenproblem hatte.« Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu. »Wie dir inzwischen klargeworden sein dürfte, sind die Menschen nicht immer, was sie zu sein scheinen. Der gute Doktor hat mir in der letzten Zeit leider einige Probleme bereitet, aber nichts, womit ich nicht fertigwerde – zu gegebener Zeit.« Und es würde ihm ein ungeheures Vergnügen verschaffen, Crampton dieselbe Behandlung zuteil werden zu lassen, die Biff erfahren hatte. Danach würde keiner mehr übrig sein, der es wagte, seine Herrschaft in Frage zu stellen. »Es ist nicht sonderlich schwierig, Menschen zu finden, die andere Wege einschlagen wollen«, fuhr er fort. »Besonders dann nicht, wenn dieser andere Weg mit Sex, Geld, Drogen und einem Hauch von Machtgefühl verbunden ist.«
Mittlerweile ging es bergauf; sie fuhren eine steile, kurvenreiche Straße entlang, die durch ein weitgehend unerschlossenes Gebiet führte. Zu beiden Seiten lag dichter, undurchdringlicher Wald. Atherton trat das Gaspedal durch und beschleunigte auf fünfzig.
»Ein herrliches Auto. Es ist wirklich eine Schande, daß es verschrottet werden muß.«
»Verschrottet?«
»George von Jerry’s Autowerkstatt erledigt derartige Dinge für uns. Wir werden den Wagen vorher ausschlachten, das entschädigt uns wenigstens etwas für Sarah Hewitts wertlosen alten Chevy.«
»Sarah? Sie haben …?«
»Es ließ sich leider nicht vermeiden. Sie wußte mehr, als gut für sie war.«
»Und Biff?«
»Wurde hingerichtet.« Atherton lächelte. Er stellte fest, daß in der Möglichkeit, ungestraft von seinen Verbrechen zu berichten, auch eine Art von Macht lag. »Er konnte schlicht und ergreifend seinen Alkohol- und Drogenkonsum nicht mehr kontrollieren und übertrat unser Gebot, indem er erst einen der Unsrigen angriff und sich dann auch noch in aller Öffentlichkeit eine Schlägerei mit dem Sheriff
lieferte. Schade um ihn, er war einer der ersten, die Menschenopfer forderten. Ein Egozentriker par excellence, den ich nur bewundern konnte. Er wollte Jane Rafferty für sich haben, und Mike Rafferty stand ihm dabei im Weg, also beseitigte er ihn.«
»Biff hat Cams Vater getötet?«
»Ein genialer Schachzug. Ich glaube, er hat Mike erst bewußtlos geschlagen und dann mit Hilfe von Ketten und Brechstangen den Traktor umgestürzt. Ein riskantes Manöver, sicher, aber was wäre das Leben ohne Risiko? Nun, und dann war er zur Stelle, um die trauernde Witwe zu trösten.«
Übelkeit stieg in Clare auf. Sie rutschte in ihrem Sitz nach unten und stieß mit dem Fuß an die Feile, die seit ihrem Besuch bei Annie vergessen dort lag. Mit wild klopfendem Herzen schob Clare sie zwischen ihre Füße. »Ihr Kult ist nur ein Vorwand zum Morden.«
»Kein Vorwand.« Atherton bog auf einen unbefestigten Weg ein und mußte Tempo wegnehmen, um den Schlaglöchern ausweichen zu können. »Aber ein Weg. Ein Weg, sich zu nehmen, was man begehrt. Jedes Mitglied unseres Zirkels hat, was es will und braucht – und mehr. Unsere Zahl wächst ständig, sowohl auf dem Land wie auch in der Stadt. Vor dreißig
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