Dunkle Küsse: Ein Vampirthriller (German Edition)
ihn aber nicht verstummen. Er brüllt immer noch.
Aber sein Geschrei zeigt nicht die gewünschte Wirkung. Keiner kommt, um ihm zu helfen. Ich würde wetten, dass die anderen nur warten, bis wir verschwunden sind, um sich dann an seinem Vorrat zu bedienen. Ich rufe David zu: »Sag ihnen, dass wir die Polizei rufen werden, damit sie die beiden anderen holen. Die Leute sollten sich also besser beeilen und von hier verschwinden.«
David nickt mir zu und gibt meine Nachricht auf Spanisch weiter. Die hungrigen Gesichter der Männer zeigen nun gierige Erwartung.
Ich werfe einen Blick zurück, als wir die Böschung an der Straße erreichen. Etwa ein Dutzend Leute drängen nun auf den Dealer und seinen Kumpel zu. Er brüllt immer noch herum, vermutlich stößt er inzwischen finstere Drohungen aus. Doch die Meute ignoriert ihn und fällt über das Zelt her. Sogar die beiden Kinder hüpfen schadenfroh herum.
Himmel, was für eine Welt.
David ruft die Polizei an, sobald er Guzman auf dem Rücksitz des Hummers gesichert hat. Sie weisen uns an, ihn durch das Sicherheitstor am Hintereingang des Polizeihauptquartiers anzuliefern. Das überrascht mich nicht – sie wollen Guzman persönlich auf dem Gang zum Haftrichter begleiten. Immerhin hat er einen ihrer Leute getötet. Von mir aus kann die Polizei die Lorbeeren für seine Gefangennahme gern selber einheimsen. Solange wir die Belohnung bekommen.
Sie schicken uns auch noch eine Eskorte, die uns auf der Friars Road erwarten wird. Kein Blaulicht oder Sirenengeheul, nur eine zusätzliche Absicherung, damit Guzman auch wirklich bei der Polizei ankommt. Wir entdecken die beiden Streifenwagen und das Zivilfahrzeug sofort.
Guzman ist während der Fahrt sehr schweigsam. Ich blicke einmal zu ihm zurück, und er hat die Augen geschlossen. Ich weiß nicht, ob er schläft oder nur blutige Rache an demjenigen plant, der ihn verpfiffen hat. Es ist mir auch vollkommen egal.
Ich erwarte Chief Williams unter den Leuten, die uns in Empfang nehmen, als wir das Polizeihauptquartier erreichen, doch er ist nicht da. Guzman wird rasch abgeführt und verschwindet in einem besonderen Aufzug, der ihn zu einer Zelle im Keller bringen wird. David und ich werden nach oben geleitet, bekommen ein paar Formulare überreicht und werden sogar in einen Befragungsraum gebeten, wo wir sie bequem ausfüllen können.
Das habe ich noch nie erlebt.
Normalerweise behandelt man uns etwa so respektvoll wie die Flüchtigen, die wir abliefern. Wenn wir Glück haben, reicht uns jemand ein Klemmbrett und einen Stift und lässt uns auf derselben Bank sitzen wie die mit Handschellen gefesselten Übeltäter, während wir den Papierkram erledigen.
»Wow«, sage ich zu David, als man uns bittet, an einem zerschrammten Tisch Platz zu nehmen, und ein lächelnder Deputy uns Kaffee bringt. »So einen Service hatten wir ja noch nie.«
David bedankt sich bei dem Deputy und wartet, bis der wieder draußen ist, bevor er entgegnet: »Wir haben ja auch noch nie einen Copkiller abgeliefert.«
Er macht sich daran, das erste Formular auszufüllen.
»Soll ich das lieber machen?«
David schnaubt. »Die sollen das ja später lesen können, oder?«
»Auch wieder wahr«, erwidere ich gutmütig. Es geht schließlich um viel Geld. Ich nippe an meinem Kaffee, der überraschenderweise nicht mal schlecht schmeckt. Sobald die Tasse leer ist, werde ich unruhig. Ich rücke vom Tisch ab und stehe auf. »Ich mache mich auf die Suche nach der Toilette.«
David nickt geistesabwesend, und ich lasse ihn am Tisch zurück, den Kopf über das Formular gebeugt, eifrig kritzelnd – zweifellos notiert er gerade die Einzelheiten der Festnahme. Ich spaziere hinaus in die Lobby. Ich brauche keine Toilette – einer der Vorteile am Dasein eines Vampirs –, aber ich will noch einmal versuchen, Max zu erreichen. Nun, da der Job erledigt ist, kreisen meine Gedanken wieder nur um ihn.
Niemand sitzt am Empfang. Offenbar sind alle unten, weil sie hoffen, dass Guzman einen Fehler macht und sie ihn dann erschießen dürfen. Ich gehe nach draußen und rufe bei mir zu Hause an. Immer noch niemand da. Der Gedanke, dass Max fort ist und ich nicht weiß, wann ich ihn wiedersehen werde, macht mich traurig.
Ich kehre in die Lobby zurück und spaziere zu einem der Schwarzen Bretter hinüber. Daran hängt ein Poster mit Fotos, Personenbeschreibungen und so weiter – San Diegos Most Wanted. Guzman ist Nummer eins, doch irgendjemand hat schon mit dickem schwarzem Edding
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