Dunkle Küsse: Ein Vampirthriller (German Edition)
über einem davon hängen meine Klamotten. Bett, Kommode, ein Schränkchen, in dem vermutlich der Fernseher steht. Die Doppeltür ist geschlossen. Offenbar haben wir letzte Nacht nicht ferngesehen.
Was haben wir dann getan?
Sobald ich mich zu bewegen versuche, wird es mir klar.
Himmel. Ich bin so wund, dass ich nach Luft schnappe, ehe ich mich beherrschen kann.
Der Typ dreht sich wieder um. »Bist du immer noch im Bett? Komm, wir haben noch eine lange Reise vor uns. Wir müssen bis heute Mittag in El Centro sein.«
»El Centro?«
Er runzelt die Stirn. »Sag bloß nicht, du hast das vergessen. Du hast mir versprochen, dass du mir hilfst. Meine Tochter, weißt du nicht mehr?«
Nein. Das will ich gerade laut sagen, doch sein Gesicht drückt solche hoffnungsvolle Erwartung aus, dass ich schlucke und schweige. Stattdessen reibe ich mir die Augen. »Ich bin noch nicht ganz wach.« Ich blicke zu ihm auf. »Und um ehrlich zu sein, etwas durcheinander. Haben wir uns gestern Abend in dieser Bar kennengelernt?«
Er lacht, streckt die Hand aus und streicht mir übers Haar. »Jetzt sollte ich wohl beleidigt sein«, sagt er. »Aber du hast wirklich viel getrunken. Nein, wir haben uns nicht in der Bar kennengelernt. Du hast meinen Bruder in der Bar kennengelernt. Er hat dir von mir erzählt, und du hast dich bereit erklärt, mir zu helfen. Er hat dich hierher gebracht, in mein Zimmer. Wir haben uns unterhalten, und – na ja, dann führte eins zum anderen.«
Offensichtlich. Zwischen meinen Beinen pocht es schmerzhaft. Das muss eine heiße Nacht gewesen sein. Aber jetzt ist heller Tag, und ich habe keine Ahnung, wo wir sind oder was ich diesem Kerl versprochen habe. Ich habe meinen Termin mit Williams im Park verpasst, zum ersten Mal seit Wochen. Ich wollte ihn doch nach der Hexe und den seltsamen Vorgängen in Beso de la Muerte fragen. Ich weiß nicht, ob Max inzwischen versucht hat, mich zu kontaktieren, oder David.
Der Typ geht zu den Stühlen hinüber. Er hebt ein T-Shirt auf und zieht es sich über den Kopf. Seine Arme und der Oberkörper sind muskulös, Taille und Hüften schlank. Er hat schwielige Finger und starke Hände. Ein Tischler oder Zimmermann vielleicht? Ich schätze ihn auf Anfang vierzig. Er hat kurzes, blondes Haar, dicht und gut geschnitten. Sein Gesicht kommt mir immer noch irgendwie bekannt vor – er ist nicht direkt gutaussehend, hat aber einen rauhen Charme. Der Bartschatten betont die Ausstrahlung von lockerer Kraft. Als er sich einmal mehr zu mir herumdreht, wird mir klar, was mir an ihm so bekannt vorkommt.
Der Typ von gestern Abend, der neben mir an der Bar saß. Dies hier ist die aufpolierte Version dieses Mannes. Jetzt sehe ich die Ähnlichkeiten ganz deutlich. Brüder. O Gott, habe ich es etwa mit beiden getrieben?
Ich werfe die Bettdecke von mir und tapse nackt ins Bad. Schüchternheit wäre wirklich fehl am Platze. Ich kann kaum gehen.
Ich schließe hinter mir ab, denn ich kann es nicht riskieren, dass mein Bettgefährte hier reinkommt und bemerkt, dass ich in den drei Spiegelwänden nicht zu sehen bin. Über dem Rand der Badewanne hängen zwei nasse Handtücher. Er hat seine Morgentoilette offenbar schon beendet. Ich drehe das Wasser auf und stelle mich unter die Dusche. Ich klatsche mir Wasser ins Gesicht, halte den Kopf unter die Düse und löse die Knoten aus meinem Haar. Dann wasche ich mir den Geruch und die weiteren Überreste einer Nacht voll Sex vom Körper. Eine Menge Überreste. Ich frage mich, ob ich von ihm getrunken habe, während wir Sex hatten. Ich spüre jedenfalls nicht diesen Energieschub, der normalerweise davon kommt.
Als ich das Zimmer wieder betrete, in ein Badetuch gewickelt, hat er meine Kleider schon ordentlich auf dem Bett zurechtgelegt.
Jeans. Pulli.
Und meine Waffe.
Ich blicke mich nach meinem Höschen um. Es liegt vermutlich irgendwo hier, aber es ist mir zu peinlich, ihn danach zu fragen. Ein bisschen wie gestern Morgen mit Max und meinem BH.
Max.
Himmel.
Das hier kann ich nicht meinem Hunger zuschreiben.
Ich ignoriere die Übelkeit, die sich in mir breitmacht, und ziehe mich mechanisch an – ziehe mir den Pulli über den Kopf, schlüpfe in die Jeans, befestige die Waffe am Hosenbund.
Ich habe es so lange hinausgeschoben, wie ich kann. Also drehe ich mich um.
»Das ist mir wirklich peinlich, aber ich kann mich kaum an letzte Nacht erinnern. Könntest du mir ein bisschen auf die Sprünge helfen?«
Der Typ hat gerade seine Brieftasche und seine
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