Dunkle Küsse: Ein Vampirthriller (German Edition)
gefahren.«
Eine weitere Pause, ein weiteres Mal ringt er scharf nach Atem. Ich bleibe still. Er fährt fort, sobald er kann. »Ich habe sie gefunden. So schlimm verprügelt, dass sie kaum sprechen konnte. Ich habe sie ins Krankenhaus gebracht und herausgefunden, dass das nicht ihr erster Besuch dort war. Eine der Krankenschwestern war eine Bekannte von mir. Sie hat mir gesagt, dass Sylvie im Monat zuvor zweimal in der Notaufnahme war. Ein verstauchtes Handgelenk, angebrochene Rippen. Und das alles hat sie mir verheimlicht.«
Sein Kummer ist so überwältigend, dass er mich damit ansteckt. Aber bei mir wirkt er anders. Stille Wut kocht in mir hoch. »Wann war das?«
Dan fährt sich mit der Hand über die Augen. »Vor einem Monat. Als sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe ich sie mit nach Hause genommen. Sie hat ihn angezeigt. Er ist gegen Kaution freigekommen. Sie hat die Scheidung eingereicht. Aber er gibt einfach nicht auf. Er verfolgt sie überallhin und hinterlässt Drohungen auf ihrem Anrufbeantworter.«
»Ihr habt die Polizei informiert?«
Er nickt. »Sie haben die Drohungen ernst genommen, aber sie können sie nicht vierundzwanzig Stunden am Tag bewachen. Wir haben eine einstweilige Verfügung erwirkt. Er hat dafür gesorgt, dass sie bis jetzt nicht zugestellt werden konnte. Er ist mitten in der Nacht aus ihrer gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Der Vermieter hat keine Nachsendeadresse. Er hat seinen Job geschmissen. Ihre gemeinsamen Bankkonten geleert. Und die ganze Zeit diese Anrufe. Es wird immer schlimmer. Er sagt, dass er sie umbringen wird, und ich glaube ihm.«
Wir haben inzwischen El Centro erreicht, und Dan biegt in ein Wohngebiet ab. Mittelschicht-Gegend, weiß verputzte Bungalows im Ranch-Stil mit Ziegeldächern und hübsch gestalteten Gärten. Die Wüste wird von einem breiten Grünstreifen auf Abstand gehalten, der das Wohngebiet umgibt. Rasensprenger lassen ihre Wasserfontänen in die Luft steigen, die vor dem blauen Himmel Regenbogen bilden. Hier und da ragen Palmen auf wie schlanke Wächter gegen den eindringenden Sand.
Wir halten in einer Einfahrt, in der bereits ein großer Geländewagen steht. Am Straßenrand vor dem Haus ist ein Oldtimer geparkt, ein Chevy Impala mit offenem Verdeck. Dan deutet auf das Auto. »Der gehört Burt.«
Der Bruder, nehme ich an. Ich will mich nicht noch mehr in Verlegenheit bringen, indem ich danach frage. Als Dan mir eben seine Geschichte erzählt hat, hatte ich das Gefühl, dass er mir all das bereits gesagt hat. Er ist nur zu höflich, das anzumerken.
»Was habt ihr eigentlich gestern Abend in San Diego gemacht?«, frage ich.
Dan geht voran, den gepflasterten Weg zur Haustür entlang. »Mein Bruder muss noch letzte Hand an sein Haus legen. Sylvie hat sich bereit erklärt, für ein paar Tage zu einer Freundin zu ziehen, damit ich ihm helfen kann. Er hat in dieser Bar auf mich gewartet, als er dich kennengelernt hat.«
Er wirft mir einen Seitenblick zu, und ich schaue hastig weg. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, was für eine Unterhaltung das gewesen sein mag, die mich schließlich in sein Zimmer in diesem Motel geführt hat.
Dan hat die Hausschlüssel schon in der Hand und ist mir ein, zwei Schritte voraus. Plötzlich bleibt er so unvermutet stehen, dass ich beinahe gegen seinen Rücken pralle. »Die Tür«, sagt er.
Ich blicke auf. Hohe Büsche flankieren den Gartenweg, und erst kann ich nichts erkennen. Doch als ich an Dan vorbeigehe, sehe ich es. Die Haustür steht offen, der Rahmen ist an mehreren Stellen gesplittert. Sieht aus, als hätte jemand die Tür eingetreten.
Dan schreit nach Burt und Sylvie.
Ich packe ihn am Arm, um ihn daran zu hindern, sofort ins Haus zu rennen. Ich ziehe ihn hinter mich und bedeute ihm zu bleiben, wo er ist. Ich bezweifle, dass er das tun wird, aber zumindest werde ich als Erste das Haus betreten. Ich sende meine scharfen Sinne voraus, kann aber drinnen niemanden spüren oder hören.
Dan flüstert mir drängend ins Ohr: »Deine Waffe. Du wirst sie vielleicht brauchen.«
Das glaube ich nicht, aber die Panik in seinen Augen lässt ein wenig nach, als ich den Revolver aus dem Halfter nehme und bereithalte.
Ich schleiche mich neben die Tür, drücke mich flach an die Wand und spähe nach drinnen. Es ist still. Ich ducke mich und gehe rein. Mein Zeh berührt etwas Weiches. Ich weiß Bescheid, ohne hinsehen zu müssen. Ein menschlicher Körper. Als ich nach unten blicke, bewegt sich der Körper. Ein Mann,
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