Dunkle Küsse: Ein Vampirthriller (German Edition)
Schlüssel eingesammelt und steckt sie sich in die Tasche. Er hält inne, und ein besorgter Ausdruck huscht über sein Gesicht. »Woran kannst du dich denn nicht erinnern?«
»Na ja. Um ehrlich zu sein, ich erinnere mich an gar nichts .«
Der besorgte Ausdruck wird deutlicher. Farbe steigt ihm in die Wangen. »Gar nichts?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein. Tut mir leid. Du hast gesagt, ich hätte versprochen, dir zu helfen. Womit denn?«
Wenn ich ihm einen Fußtritt verpasst hätte, wäre die Reaktion wohl nicht verblüffter ausgefallen. Er starrt mich an, und eine schreckliche Erkenntnis tritt in seinen Blick. »Bist du überhaupt Kopfgeldjägerin?«, fragt er leise. »Denn das hast du meinem Bruder gestern Abend erzählt.«
Ich nicke und bin erleichtert darüber, dass ich mir zumindest keine phantastische Geschichte ausgedacht und behauptet habe, ich sei Model – oder ein Vampir. »Ja. Ich bin Kopfgeldjägerin. Brauchst du dabei Hilfe? Einen Flüchtigen fassen? Das kann ich. Ich brauche nur ein paar Fakten.«
Erleichterung verdrängt den Schrecken aus seiner Miene. »Es geht um meinen ehemaligen Schwiegersohn. Er belästigt meine Tochter. Wir haben eine einstweilige Verfügung erwirkt, dass er sich ihr nicht mehr nähern darf, aber sie konnte noch nicht zugestellt werden, weil er immer wieder verschwindet. Du hast gesagt, du könntest das für uns machen. Du könntest ihn dazu bringen, dass er sich von ihr fernhält. Das klang alles so zuversichtlich …«
Seine Stimme erstirbt, als sei er jetzt nicht mehr so sicher, dass ich das wirklich könnte.
»He …« Ich halte inne, als ich merke, dass ich nicht einmal weiß, wie er heißt. Eine weitere Demütigung auf der länger werdenden Liste. »Das ist ein Spaziergang. Aber ich muss erst schnell jemanden anrufen.« Williams wird sich schon Sorgen um mich machen. David ebenfalls, außer, er packt schon für den Umzug nach L. A.
Ich blicke mich nach meiner Handtasche um. Sie liegt halb versteckt unter dem Parka auf dem Stuhl. Ich hole mein Handy heraus, stelle aber beim Aufklappen fest, dass der Akku fast leer ist. Es gibt ein Telefon im Zimmer, aber das will ich nicht benutzen, für den Fall, dass mich jemand hierher verfolgt hat. Williams wird sich eben ein Weilchen sorgen müssen.
Ich lasse das Handy zuschnappen und schalte es aus, um den verbliebenen Saft für einen echten Notfall zu sparen. »Akku ist leer. Na ja – das dürfte nicht allzu lange dauern. Ich werde gegen Abend zurück sein, nicht?«
Der Typ nickt. »Kein Problem. Mein Bruder ist heute Morgen schon vorgefahren, um Sylvie zu sagen, dass wir unterwegs sind. Du kannst mit ihm zurückfahren.«
Ich nehme an, diese Sylvie ist die Tochter. Er fragt mich, ob ich frühstücken möchte. Als ich den Kopf schüttele, grinst er.
»Kein Wunder. Ich habe noch nie eine Frau so trinken sehen wie dich gestern. Aber du kannst ganz schön was vertragen, das muss ich dir lassen. Und deiner Leistung hat es jedenfalls nicht geschadet, wenn du verstehst, was ich meine.« Seine rechte Hand umfasst leicht seinen Schritt, eine verlegene und zugleich schützende Geste. »Autsch. Du hast mich ganz schön fertiggemacht.«
Das ist viel mehr, als ich wissen wollte. Aber zumindest lächelt er. Und ich sehe keine Bissmale an seinem Hals. Keine Hinweise auf einen dunklen Kuss. Wenn es mehr war als nur Sex, dann habe ich offenbar zumindest die Spuren beseitigt.
Er schlüpft in seine Jacke und sieht sich im Zimmer um. »Das war’s dann wohl. Bist du bereit?«
Ich lächle und nicke. Es hat keinen Sinn, ihm zu sagen, dass ich wirklich gern wüsste, wozu.
Kapitel 17
B evor wir den Highway erreichen, halten wir an einer Tankstelle. Dies ist mein erster Hinweis darauf, wohin es mich letzte Nacht verschlagen hat. Wir sind in Santee, im East County. Wenn mich jemand fragen würde, wie ich von einer Bar in San Diego hierhergekommen bin, könnte ich es ihm nicht sagen. Wir betanken einen recht neuen Ford Pick-up, einen von den ganz großen mit aufwendigem Pritschenschutz und großer Alu-Werkzeugkiste. Sauber. Er bezahlt an der Zapfsäule per Kreditkarte und fragt mich dann, ob ich einen Kaffee möchte. Ich nicke, und er geht hinein und gibt mir damit Gelegenheit, im Handschuhfach nach Fahrzeugschein oder Versicherungspapieren zu suchen – irgendetwas, das mir helfen könnte, dem Mann, mit dem ich offenbar die ganze Nacht lang begeistert gevögelt habe, einen Namen zu geben.
Dan Simmons. Aus El Centro.
Ich klappe das
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