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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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vorbeikommt, den du kennst, verstecken wir unsere Gesichter hinter einer Zeitung, mit ein bisschen Glück finden wir eine riesige Zeitung, die unsere ganzen Körper versteckt, und niemand wird uns erkennen, Ruth nicht und nicht einmal Tanja, und du wirst ganz ruhig und entspannt sein, was sagst du dazu?

6
 
    Â 
    Mittwoch, 27. Oktober, 12:23
    Â 
    Du schreibst mir also nicht mehr. Hast du beschlossen, mir nicht mehr zu schreiben? Nach allem, was passiert ist, weiß ich nicht, was ich denken soll. Ich mache mir eine Tasse Tee. Wenn ich hier ein Klavier hätte, würde ich spielen. Ich werde nachher wieder meine Mails lesen. Der Himmel hat heute eine seltsame Farbe.
    Â 
    Â 
    Mittwoch, 27. Oktober, 19:04
    Â 
    Was ist los, Adam? Bestrafst du mich? Weil ich mein Versprechen, Sascha nichts von uns zu erzählen, gebrochen habe?
    Warum ist es so wichtig, dass Sascha nichts erfährt?
    Schreib mir etwas. Schrei mich an. Beleidige mich. Alles ist besser als dieses Schweigen.
    Â 
    Â 
    Donnerstag, 28. Oktober, 15:05
    Â 
    Nein, ich glaube nicht, dass Sascha sich für mich interessiert. Nein, ich glaube nicht, dass Sascha jemandem etwas über unsere Affäre erzählen wird.
    Kannst du nicht aufhören, so paranoid zu sein?
    Sascha ist einer der diskretesten Menschen, die ich kenne.
    Mir wird manchmal schlecht von dieser Geheimniskrämerei.
    Â 
    Adam,
ich bin wieder traurig.
    Ja, ich habe zwei Seiten, die eine Seite ist auf eine tödliche Art realistisch. Diese Seite argumentiert gegen mich, gegen mein seltsames Glück. Sie sagt, dass du ein eigenes Leben hast, sogar ein ziemlich erfolgreiches Leben, dass ich nur eine angenehme kleine Zugabe zu diesem Leben bin, das du als Angestellter des Konsulats führst, eines Mannes, der durch die Welt reist, als glücklicher Ehemann, vielleicht demnächst auch als Vater. Dein Leben ist ausgefüllt, und du suchst hier und da unbedeutende Zugaben, wie die Kirsche auf der Schlagsahne, aber wenn die Stunde der Wahrheit kommt, weißt du, wohin du gehörst. Du wirst keine Sekunde zögern, du wirst dich nicht verleiten lassen. Nichts kann deine Fundamente erschüttern.
    Â 
    Aber meine Fundamente sind nicht so stabil, sie sind zerbrechlich, ich bin fast zwanzig Jahre jünger als du. Bei mir kann sich alles ändern. In einem Monat, vielleicht in einer Woche, kann ich jemanden kennenlernen. Wie kann ich versprechen, immer mit dir zusammen zu sein? Und wie kannst du so ein Versprechen von mir fordern?
    Â 
    Das ist vielleicht die Essenz der fehlenden Symmetrie zwischen uns, und des Feuers, das meine Zweifel schürt.
    Â 
    Heute war ich wieder allein joggen.
Kam an Menschen vorbei, die gemeinsam joggten.
Oder an welchen, die mit Hunden joggten.
Andere hatten ein Baby im Wagen.
Aber ich rannte allein.
Kein Freund. Kein Hund. Nicht mal ein Baby.
    Â 
    Adam,
ich möchte dir etwas aus meiner Vergangenheit erzählen. Jedes Mal, wenn ich Liebe gefunden hatte und wir geographisch getrennt waren (das geschah einige Male, zum Beispiel mit Ilja, ich erinnere mich, dass du mich noch in der Notaufnahme danach gefragt hast), litt ich schrecklich und war vor lauter Sehnsucht außerstande zu funktionieren oder mich anderen gegenüber zu öffnen. Ich möchte nicht die ganze Zeit Sehnsucht haben. Oder die ganze Zeit Mails schreiben. Oder nach der New Yorker Uhrzeit leben. Ich will jetzt und hier leben. Ich erinnere mich nur allzu gut an diesen Schmerz, er war wie eine Warnleuchte, ich machte Umwege, um ihm nicht zu begegnen. Und trotzdem ist er wieder da. Wie ein Parasit. Raubt mir die Energie.
    Â 
    Und immer kommt dazu meine Befürchtung oder mein Misstrauen, dass ich mehr unter der zweiten Seite leide. Ich weiß nicht, warum dieser Gedanke bei mir so zentral ist. Es erinnert mich an das, was Sascha über Tanja gesagt hat, dass sie unter ihrer Natur leidet und nicht unter den Umständen, in denen sie sich befindet, ihrer Ehe zum Beispiel. Sie kann diese Umstände ändern, aber sie wird es nicht tun, denn sie helfen ihr zu leiden. Wer weiß, vielleicht hat sie den Konsul geheiratet, um zu leiden.
    Â 
    Warum ich Sascha von uns erzählt habe? Das zu beantworten fällt mir sehr schwer. Vielleicht dachte ich, nach all dem, was passiert war, sei er jetzt an der Reihe, mir zuzuhören. Vielleicht wollte ich, dass er weiß, dass ich jetzt jemand anderen liebe, dass ich ihm nicht mehr gehöre. Vielleicht war ich

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