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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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zutraurig. Vielleicht habe ich nicht nachgedacht, sondern es einfach getan. Aber Adam, warum ist es dir so wichtig, dass Sascha nichts erfährt?
    Â 
    Er führt jetzt ein »freies« Leben. Seltsam, wie er sich geändert hat. Oder er war vielleicht immer so und ich war nur blind? Früher dachte ich, er sei tiefgründig. Ich erinnere mich, wie er sagte, dass er mich immer lieben würde. Und dass er mich nie betrügen würde, denn dann würde unsere Liebe sinnlos. Und dass er mir das Recht gebe, ihn lieber zu betrügen, statt ihn zu verlassen. Dass er verstehe, dass ich ihn vielleicht betrügen würde, weil er mir nicht alles geben könne. Manchmal sagte er sogar, dass er mir nicht geben könne, was ich brauchte, und dass eines Tages jemand kommen würde, der mir den »Weg« zeige und ich ihn dann verlassen würde. Kannst du dir vorstellen, dass er solche Sachen gesagt hat und dass am Ende er es war, der mich verlassen hat und jetzt scharf auf One-Night-Stands ist und behauptet, dass dies die einzig wahre Art zu leben ist?
    Â 
    Und wie herzlos und distanziert er ist, wenn er über Tanja spricht, die seine erste Liebe war, noch im Gymnasium in Sankt Petersburg. Es hat mich zutiefst getroffen zu hören, wie er über sie spricht, nach all ihren gemeinsamen Jahren. Ich kam auf den Gedanken, dass er Sankt Petersburg vielleicht nur deshalb verlassen hat, um vor ihr wegzulaufen. Er nannte sie verrückt (vielleicht sollte ich dir das gar nicht erzählen?). Er sagte, er habe befürchtet, dass Tanja ihm nach Israel folgen würde, sie habe schon mit den Formalitäten angefangen, und so lernte sie Me’ir kennen, der damals Konsul in Moskau war, und am Ende hat sie Me’ir geheiratet und sie sind nach New York gezogen. Er sagte, er habe Zweifel an Tanjas Motiven, diese schnelle Heirat mit einem Mann, der viel älter warals sie, den sie kaum kannte, erscheine ihm seltsam. Er sagte, sogar als frisch verheiratete Frau habe Tanja ihn fast täglich in Israel angerufen und versucht, die Verbindung aufrechtzuerhalten, und er habe sich gefreut, dass sie dich in New York am Konsulat kennengelernt und sich in dich verliebt habe. Er habe gebetet, dass sie mit dir zusammenbleibe, aber seine Empathie sei mehr auf deiner als auf ihrer Seite gewesen.
    Â 
    Als ich zu ihm sagte, dass ich nach all den tollen Geschichten, die du mir über sie erzählt hast, das Gefühl hätte, Tanja sehr gut zu kennen, ohne sie getroffen zu haben, drückte er mir sein Beileid aus. Ich schwöre, das hat er wörtlich gesagt. Mein Beileid. Kannst du dir das vorstellen? Doch andererseits sagte er auch: Erzähle Tanja niemals von deiner Affäre mit Adam, wenn du nicht einen Menschen töten willst.
    Vielleicht ist er derjenige, der verrückt ist?
    Er, der jetzt Affären mit Frauen hat, die er im Schwimmbad kennenlernt und für eine Nacht verführt.
    Â 
    Aber vielleicht irre ich mich, was ihn betrifft. Denn er nimmt sein Versprechen, mir zu helfen, sehr ernst. Er hat mir sogar aus London, von seiner Biologenkonferenz, gestern und heute Mails geschrieben, Zweizeiler nur, aber immerhin, er hat sich nach mir erkundigt. Und als ich mit ihm sprach, hatte ich den Eindruck, er warte wirklich darauf, dass eine seiner Schwimmerinnen eine Woche mit ihm verbringt. Er war auch zu meinem Vortrag gekommen und hörte sich mit unendlicher Geduld meine zweifelhaften Ausführungen über die Entstehung von schwarzen Löchern an. Weißt du, dass es mitten in unserer Galaxie ein schwarzes Loch gibt, das eine Million Mal schwerer ist als die Sonne?
    Â 
    Ich muss sagen, dass Sascha einer der wenigen Menschen ist, die ich getroffen habe, die als Reaktion auf das, was man ihnen erzählt, nur selten etwas von sich selbst erzählen. Das hat ihn bei Menschen, die jemanden zum Zuhören brauchen, sehr beliebt gemacht. Meine Mutter hat oft gesagt, er sei einer, der ständig an seinem Image poliere. Sie mochte ihn nicht. Ihrer Meinung nach war seine Trennung von mir das Beste, was mir passieren konnte. Ich erinnere mich, wie sie ihn immer wieder provozierte, um ihm eine eigene Meinung oder den Bruchteil eines Gedankens zu entlocken. Es gelang ihr nie. Und Saschas nüchterne Meinung über dich, als er mich fragte, ob ich wirklich mit dir weitermachen wolle. Ich versuche, mich an seine genaue Definition zu erinnern: mit Adam, mit der Krise eines Mannes, der alles hat und dem trotzdem

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