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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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Mount Skopus näherten, er wollte nicht, dass diese Fahrt zu Ende ging, er erinnerte sich, wie er ihr, als sie vor dem Krankenhaus parkten, das Blut von der Stirn wischte, damit sie gut aussah, und sie sagte, sie glaube, sie habe noch eine andere Wunde, und er fragte, was für eine Wunde, wo, als dürfe sie nicht mehr als eine Wunde haben, und sie zog ihre graue Trainingshose herunter und ließ eine schwarze Unterhose sehen, und Oberschenkel, die wie Schnee glänzten, mit einem dunkelroten Fleck auf der linken Seite, und er nahm noch ein Papiertaschentuch, drückte es an ihren linken Oberschenkel, bis das ganze Blut aufgesaugt war, sah, wie sie ihn anlächelte und sich bedankte. Er, Adam, hatte sie verletzt und sie sagte, danke, ja, schon damals, auf dem Parkplatz des Krankenhauses Hadassa am Mount Skopus, hatte eine gewisse Intimität zwischen ihnen geherrscht, er erinnerte sich, dass sie es nicht eilig gehabt hatten, das Auto zu verlassen, vielleicht befürchteten sie, dass sich draußen, in der großen Welt, der Zauber verflüchtigen würde, als hätten sie ihre Chance nur in diesem geliehenen Honda Civic, aber als sie dann doch ausgestiegen waren, lehnte sie sich an ihn, sie zog das Bein nach und ihr Duft erschlug ihn, ihr Parfüm brachte ihn ins Schleudern, das war genau der gleiche Duft, den Tanja benutzte, dieser Duft begleitete ihn schon seit Jahren, er war zu einem Teil seines Lebens geworden. Er drückte sie an sich, er atmete den Duft ihrer Haare und sagte, Eva, du kommst mir so bekannt vor, bist du sicher, dass wir uns nicht schon früher begegnet sind? Und sie sagte, meinst du, dass du mich früher schon mal angefahren hast? Und beide hatten gelacht.
    Deshalb war es vielleicht kein Wunder, dass man sie am Empfangdes Krankenhauses als Ehepaar wahrgenommen hatte, er erinnerte sich, mit welcher Freude sie dieses Spiel mitgemacht hatten, wie sie ihre Adresse in Gilo als die gemeinsame Adresse angaben und ihre Telefonnummer als gemeinsame Telefonnummer, bis sie beide allmählich selbst an ihre erfundene Geschichte glaubten, eine Geschichte, die ihr Tempo beschleunigt und schließlich den Ozean überquert hatte, denn hier, in New York, waren sie auch eine Art Ehepaar, zumindest in den Augen des Portiers, und wenn das so war, war dieser Aufenthalt am Washington Square wie eine Art Flitterwochen, und er fragte sich, ob sich der Portier noch an Tanja erinnerte, denn sie hatten sich hier regelmäßig getroffen, vor allem wenn ihr Mann auf Reisen war, zum Beispiel vor einem halben Jahr, als der Konsul für eine Woche nach Israel geflogen war, hatten sie die Woche hier im Hotel verbracht, sogar im selben Zimmer, aber wie anders war diese Woche mit Tanja abgelaufen, im Vergleich zu der Woche mit Eva, mit Tanja hatte er das Bett nicht verlassen, sie waren gierig gewesen, hatten sich aufeinandergestürzt, hingerissen von immer neuen Wellen der Lust, sie hatten auf Mahlzeiten verzichtet, auf Schlaf, manchmal ganze Nächte lang, sie hatten sich nicht voneinander trennen können.
    Seine Idee, Eva sei eine Art Doppelgängerin von Tanja, war also ein großer Fehler, obwohl es gewisse Ähnlichkeiten zwischen ihnen gab, in ihrer Art, sich zu geben, der Figur, dem Duft ihrer Körper, und seine Erwartung, die Woche mit Eva werde eine Art Wiederholung der Woche mit Tanja, war auch falsch gewesen, selbst wenn er wieder im selben Hotel war, im selben Zimmer, im selben Bett, das betonte nur den Unterschied. Vielmehr handelte es sich hier um zwei Gegensätze, denn mit Tanja hatte es unendlich lange Gespräche über alle möglichen Themen gegeben und mit Eva nur Anspannung und Streit, mit Tanja hatte er schwindelnde Höhen erstiegen und mit Eva war er in New York kein einziges Mal gekommen, denn es erwies sich, dass sie sichnach einem Orgasmus nur für Essen und Schlafen interessierte, vielleicht auch noch für Tagesausflüge zur 57. Straße, und er sah sie, wie sie neben ihm auf dem Washington Square ging, mit düsterem Gesicht, sie waren einfach nur zwei Menschen auf dem Platz, nicht Arm in Arm, nicht Hand in Hand, nicht wie ein Bild aus einem Magazin, nur zwei beliebige Menschen auf einem Platz, als hätte sich diese Woche, diese Flitterwoche, in zwölf Stunden schon erschöpft, als wäre nichts anderes geblieben, als sich höflich die Hand zu geben und dann seiner Wege zu gehen. Plötzlich erfüllte ihn die Sehnsucht nach etwas

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