Dunkle Materie
Problem, und trank weiter ihren Cappuccino.
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Monate später erzählte mir Sascha, dass Alexandra sich nicht leicht verliebt. Dass es ihr schwerfällt, sich zu verlieben. Sodass es etwas Besonderes und Seltenes war, was sie in jenen Tagen gespürt hatte. Aber das hatte sie ihm erzählt, nicht mir. Ich erfuhr es erst viel später von Sascha. Sie hat mir nie gezeigt, dass sie verletzt war.
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Und sie verschwand. Kurze Zeit nach unserem Treffen im Café Moment. Ich kam mit Sascha von einem Ausflug nach Eilat zurück und ging in ihr neues Büro, vielleicht zum zwanzigsten Mal. Ich erinnere mich, dass es ihr Geburtstag war, und ich hatte ein Geschenk in der Hand, Jehuda Amichai auf Russisch. Diesmal war das Zimmer wenigstens nicht leer, es war jemand dort. Er sagte, Alexandra sei nach Moskau gefahren, zu ihren Eltern, und komme in einem Monat zurück. Es war eine spontane Entscheidung gewesen, sie hatte fast niemandem davon erzählt. Sie unterrichtete nicht, sie hatte ein Stipendium (solch ein Stipendium wie das, das Gabi mir zugeschanzt hat), das es ihr ermöglichte, nicht zu unterrichten. Deshalb konnte sie auch von einem Tag auf den anderen verschwinden. Ich legte die Liebesgedichte von Jehuda Amichai auf ihren leeren Tisch und verlieà das Zimmer.
Aber sie kam nicht zurück. Nicht nach einem Monat, nicht nach zwei Monaten. Ich hatte keine Ahnung, was mit ihr loswar. Sie stand am Beginn einer glänzenden Karriere. Ob sie diese woanders fortsetzte, weià ich nicht. Alexandra verschwand und lieà mich mit Sascha allein. Jetzt bin ich noch nicht einmal fähig zu weinen.
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Dienstag, 9. November, 10:10
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Adam,
heute verstehe ich nicht, was du an mir findest. Womit ich Liebe überhaupt verdiene. Heute kommt es mir vor, als verdiente ich nur Hass. Oder Missachtung. Oder Nichtbeachtung, was das Schlimmste ist. Heute habe ich das Gefühl, es gut verstehen zu können, wenn plötzlich alle Menschen der Welt aufhören würden, mit mir zu sprechen. Was ich nicht verstehe, ist, warum alle so nett zu mir sind. Und warum ich diese ganzen Mails von dir bekomme.
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Plötzlich fällt mir ein, dass ich Sascha genau das gefragt habe, an dem Abend, als ich zu ihm hinübergeschwommen war und angefangen hatte, ihm von dir zu erzählen. Ich fragte ihn, warum ich? Warum hat er sich in mich verliebt? Sascha war ein bisschen betrunken, es war, nachdem wir in meiner Küche viel Wein getrunken hatten, und er umarmte mich und sagte nichts. Ich erinnere mich, dass es eine lange Umarmung war, einige Minuten vielleicht. Ich erinnere mich, dass ich seine Umarmung nicht erwiderte, aber ich hatte auch nichts gegen sie. Ich erinnere mich, wie seine Umarmung schwächer wurde, wie seine Arme mich nicht halten konnten vor Trunkenheit.
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Aber noch früher, Adam, als wir auf unserem Felsen saÃen, auf Isawija, und die Judäische Wüste betrachteten, das KrankenhausHadassa und den Mount Skopus im Rücken, völlig durchnässt vom ersten Regen. Du küsstest mich und sagtest, dass du bisher alle Paare beneidet hast, die sich auf der StraÃe küssen, dass du aber jetzt nicht mehr neidisch wärest, und weiÃt du noch, wie ich reagiert habe? Erinnerst du dich, was ich dich fragte?
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Wenn ich von dir etwas haben will, dann ist es eine Antwort auf diese Fragen. (Warum gerade ich? Was ist Liebe?)
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Hast du eine Ahnung, wie oft ich versucht habe, Alexandra ausfindig zu machen? Sie dazu zu bewegen, mit mir Kontakt aufzunehmen? Hast du eine Ahnung, wie ich mich in dem ganzen Jahr mit Sascha, der so wortkarg ist, nach den langen Gesprächen mit ihr gesehnt habe? Wie viele Mails habe ich geschrieben, wie viele Telefonate geführt, wie oft habe ich im Internet gesurft, aber sie war wie vom Erdboden verschluckt. Es gab Zeiten, da dachte ich wirklich, sie sei tot. Wenn ich manchmal auf dem Campus eine Frau in einer abgewetzten Jeansjacke und mit kurzen schwarzen Haaren sah, wollte ich schon hinrennen und ihren Namen rufen, ich war sicher, dass es Alexandra war.
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Und weiÃt du, wann sie wieder aufgetaucht ist? Wann sie mir geantwortet hat? Ein Jahr später, nachdem Sascha mich verlassen hatte. Nachdem ich ihr geschrieben hatte, dass ich jetzt allein war, dass Sascha und ich nicht mehr zusammen waren. Nach einem Schweigen von mehr als einem Jahr kam plötzlich eine Mail von ihr. Warte einen Moment, ich finde die Mail. Lies sie
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