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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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selbst.
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    Â 
    >Hi Eva,
    >entschuldige, dass ich nicht früher geantwortet habe. Ich
    >war dir gegenüber nie nachtragend. Es war für mich traurig
    >zu sehen, wie sich unsere Freundschaft in Luft auflöste. Ich
    >kann nicht mit Gewissheit sagen, was geschehen ist. Viel-
    >leicht hängt es mit Sascha zusammen. Es tut mir leid, dass
    >ihr nicht mehr zusammen seid. Ihr wart ein schönes Paar.
    >Entschuldige, dass ich so kurz angebunden bin, ich bin die-
    >ser Tage sehr beschäftigt. In zwei Wochen habe ich in Chi-
    >cago eine Tagung, und davor Bewerbungsgespräche an drei
    >Universitäten. An unseren gemeinsamen Herbst in Jerusa-
    >lem habe ich herrliche Erinnerungen, auch daran, wie wir
    >uns zum ersten Mal in unserem Büro im Schprinzak-Haus
    >trafen, erinnerst du dich? Ich glaube, dass ich dich nicht
    >weniger liebte, als ich Sascha liebte. Bist du noch in diesem
    >Büro?
    >
    >Alexandra
    Â 
    Â 
    Mittwoch, 10. November, 10:44
    Â 
    Es ist also kein Wunder, dass ich es jetzt nicht schaffe zu arbeiten. Nicht nur, dass ich jetzt doppelt lebe, mein Leben und deines, jetzt ist auch mein eigenes Leben doppelt, Gegenwart und Vergangenheit, und auch meine Gegenwart ist doppelt, ich lebe sie mit doppelter Intensität. Vielleicht ist das Liebe, wenn alles doppelt ist?
    Â 
    Ich werde das für morgen geplante Mittagessen mit Gabi absagen.
    Und ich werde auch Sascha absagen, der mich zum anschließenden nächtlichen Schwimmen eingeladen hat. Vielleichthast du recht, vielleicht bekommt mir die Flucht zu den Menschen nicht gut.
    Meine Mutter: Du hast zu viel gemacht und zu wenig nachgedacht.
    Â 
    Ich muss nichts tun, es reicht, wenn man beobachtet, nachdenkt, schreibt. Ich muss mich nicht hinter Betriebsamkeit verstecken. Ich habe in meinem Leben schon so viele Dinge gemacht. Dinge, die ich getan, aber nicht erlebt habe. Manchmal, wenn ich dir schreibe, spüre ich, dass ich sie zum ersten Mal erlebe.
    Â 
    Â 
    Donnerstag, 11. November, 23:40
    Â 
    Manchmal denke ich, dass du nicht mehr real bist.
    Gibt es dich?
    Kannst du mir beweisen, dass es dich noch gibt?
    Um dich wieder greifbar zu machen, habe ich nun die Flüge nach New York angeschaut.
    Bist du sicher, dass es eine gute Idee ist?
    Vielleicht ist es sicherer mit Mails?
    Â 
    Heute ist alles verkehrt: Der Morgen war schlecht, und jetzt, bei Nacht, bessert sich meine Laune. Ich hatte gerade mit Lena ein philosophisches Gespräch über Lügen. Ich merke, wie die Menschen sich bemühen, ihre Lügen auf logische Weise wahr erscheinen zu lassen. Solange das, was sie sagen, nicht durch und durch eine Lüge ist, fühlen sie sich wohl.
    Die meisten Menschen wagen es ganz einfach nicht, richtig zu lügen, und das macht sie anfällig für Manipulationen. Die Kunst ist es, die Frage so zu formulieren, dass sie sich nicht hinter einem Punkt verstecken können, der logisch korrektist. Aber diese Kunst verlangt von dem Fragenden eine Ehrlichkeit, die nicht geringer ist als die des Befragten. Vielleicht ist dies dein Geheimnis bei deiner Art, dich selbst darzustellen? Dich mit den Fragen zu entblößen, statt mit den Antworten? Mir scheint, dass ich das, was du mir einmal gesagt hast, immer nur neu definiere.
    Wenn man die ganzen logisch korrekten Lügen berücksichtigt, die wir täglich erfinden, ist es erstaunlich, wie schwierig es ist, wirklich zu lügen. Ich habe mit Lena über den Trieb gesprochen, zu lügen, auch wenn es nicht notwendig ist. Ist es der gleiche Trieb, der jemanden dazu führt, im Supermarkt Schokolade zu klauen, obwohl er doch genug Geld hat?
    Â 
    Heute Mittag habe ich mit Gabi gegessen und abends war ich mit Sascha schwimmen. Ich hatte schon fast vergessen, wie gern ich schwimme. Sascha und ich haben wieder eine Routine entwickelt, die wir schon mal hatten und die im Dezember unterbrochen wurde. Mit dem Unterschied, dass wir uns jetzt nichts vormachen. Und ohne Besitzanspruch meinerseits. In der letzten Zeit haben uns viele Menschen zusammen gesehen und glauben vermutlich, dass wir wieder ein Paar sind. Es amüsiert uns. Wir fangen sogar wieder an, das perfekte Paar zu spielen, genau wie damals. Sascha und ich haben jetzt alles zurückbekommen, außer meinen Illusionen. Zwischen uns gab es nie Liebe. Nur Gewohnheit, Ansprüche, Sex, die Suche nach Geborgenheit und viel Egoismus. Habe ich in ihm jemals etwas anderes gesehen als ein gelungenes Schnäppchen? Ich darf

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