Dunkle Schatten (German Edition)
versteckten. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um noch eine alte
Rechnung zu begleichen, bevor er sich endgültig aus Österreich verabschieden
wird.
Langsam nimmt Saller seine verspiegelte Sonnenbrille ab. »Eigentlich
wollte ich dich umnieten oder umlegen lassen. Doch das ist nicht mein Stil.
Aber wie du siehst, erledigen sich manche Dinge von selbst. Den Griechen hat es
bereits erwischt, doch ich habe mich entschlossen, dich noch ein bisschen am
Leben zu lassen.«
»Du Ratte steckst also dahinter.«
Als Antwort erhält Honsa nur Sallers Lächeln.
»Du wirst jetzt Husky und Rambo deine Hütte übertragen. Die beiden
erhalten diesen Puff als meinen Dank und Anerkennung dafür, dass sie mir nie in
den Rücken gefallen sind. Damit die Formalitäten schnell abgewickelt werden
können, habe ich gleich meinen Anwalt mitgebracht. Dr. Kerner, bitte.«
Der Advokat stellt einen Aktenkoffer auf den Tisch. Darin liegen ein
wasserdichter Übernahmevertrag und ein Revolver.
»In Südamerika nennen sie das plomo o plata«, sagt Saller gewohnt ruhig.
»Blei oder Silber. Such es dir aus.«
»Was ist, wenn ich diesen Scheißwisch unterschreibe?«
»Dann packst du dein Zeug und setzt nie wieder einen Fuß ins Rotlicht. Du
wirst schon nicht verhungern. Einiges wird du dir schon beiseitegeschafft
haben. Und du verschwindest aus Wien. Für immer. Komm gar nicht erst auf den
Gedanken, dich vielleicht in einem Bundesland zu etablieren und dort Huren für
dich arbeiten zu lassen. Du wirst Österreich den Rücken kehren, als hättest du
nie existiert. Such dir eine Bleibe an einem schönen Fleckchen, dieser Planet
ist groß genug. Aber du wirst immer in Angst leben, eines Tages finde ich dich
wieder. Dann klären wir unsere Probleme wie Männer. Nur du und ich.«
Hermann Honsa rinnt der Schweiß in Strömen über das Gesicht, einzelne
Tropfen fallen auf die lederne Schreibtischunterlage und hinterlassen hässliche
Ränder. »Wenn ich mich weigere zu unterschreiben?«
»Das ändert nicht sehr viel. Husky und Rambo werden die neuen Herren, du
wirst mieser behandelt werden, als du deine Putzfrauen schikanierst. Du bist
kein Kämpfer, du hältst Terror nicht lange durch.«
»Dann packe ich bei den Bullen aus.«
»Du bist wirklich ein dummer Mensch, Hermann. Tu es, dann bist du sofort
eingezogen und landest wieder einmal im Häfen. Baust du auf deinen Spezi
Erharter? Der wird nicht gut auf dich zu sprechen sein, so wie du ihn hast
zurichten lassen. Da staunst du, was? Man darf eben nicht alles vor seinen
Untergebenen ausplaudern, und Husky hört verdammt gut. Dann kommen deine Deals
mit den Georgiern heraus, deine Koksquelle in der Asservatenkammer versiegt und
noch weitere dreckige Touren von dir. Deine Leute sind bereits zu Husky und
Rambo übergelaufen. Du hast sie nie gut behandelt und noch schlechter bezahlt.
Das rächt sich nun. Deine Mädchen werden übernommen. Also, hier …«
Saller hält Honsa einen goldenen Kugelschreiber unter die Nase.
*
Geistesgegenwärtig stopft Lena das gesamte herumliegende Material in
mehrere Taschen und vergisst auch nicht auf die Videobänder, als das Klopfen
immer stärker wird.
Der Hacker hatte ihnen einen Fluchtweg für den Ernstfall gezeigt. Ein
Regal ist getürkt, das mit einem versteckten Schalter zur Seite bewegt werden
kann.
Dahinter ist eine schmale Türe, und über eine steile Treppe gelangt man
in einen kleinen Raum, Teil eines vergessenen Bunkers aus dem Zweiten
Weltkrieg, den Mitnick zufällig entdeckt und für seine Zwecke adaptiert hatte.
Vom Bunker aus lässt sich wieder mit einem Schalter das Regal verschieben, und
niemand bemerkt dieses geheime Versteck.
Wieder klopft es lautstark. Das Regal bewegt sich wie von Geisterhand,
Lena öffnet die Türe, wirft die Taschen die Treppe hinunter. Im letzten Moment
denkt sie an ihr Cryptophone, saust zurück, schnappt es und verschwindet in dem
Keller. Gott sei Dank hat Mitnick daran gedacht, eine schwache Lichtquelle zu
installieren. Sie hofft, dass das Regal wieder an seinem ursprünglichen Platz
steht. Dann macht sie etwas, woran sie sich nicht mehr erinnern kann, wann es
zuletzt war. Sie faltet die Hände und betet inständig, dass Mitnick am Leben
ist, ihm nichts passiert ist.
Per SMS verständigt sie Kokoschansky, was los ist. Gott sei Dank
funktioniert der Empfang trotz der dicken Bunkermauern. Er soll seinen Termin
mit Cench sausen lassen, umkehren, sie unter keinen Umständen anrufen. Er muss
aufpassen. Zu
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