Dunkle Schatten (German Edition)
gefährlich!
Dann bleibt ihr nichts anderes übrig, als zu warten. Schwach dringen von
oben Geräusche durch.
*
»Wer sind die anderen beiden? Die Frau und der Mann? Der Mann ist
weggefahren, die Frau nicht? Wohin ist der Mann gefahren?«
Mitnick hört die Fragen nur von weiter Ferne, und jedes Wort klingt in seinem
Kopf mit mehrmaligem Echo nach. Seine Erinnerung kehrt langsam zurück. Er saß
bei McDonalds, aß seinen Cheeseburger. Dann kamen zwei Typen an den Nebentisch,
beide in verschmutzter Maurerkleidung, obwohl das halbe Lokal leer war, und
redeten kein Wort. Er dachte sich noch beiläufig, wahrscheinlich Pfuscher oder
Schwarzarbeiter, und interessierte sich nicht weiter für sie. Später suchte er
die Toilette auf. Als er zurückkam, saßen sie noch immer am gleichen Platz. Er
trank von seinem Cola, aber irgendwie schmeckte es sonderbar. Dann stand er
auf, verließ das Lokal und kurz danach war ihm plötzlich äußerst komisch
zumute. Alles begann sich zu drehen, die Konturen verschwammen, die Beine
versagten ihren Dienst. Er merkte nicht, wie ihn die falschen Maurer
unterhakten und zu einem Lieferwagen schleppten und hineinstießen. Die wenigen
Leute, die in dieser gottverlassenen Gegend unterwegs waren, dachten wohl an
einen Betrunkenen, den seine Kumpels nach Hause bringen.
*
Kokoschansky blickt in den Rückspiegel. Der schwarze Ford Mondeo klebt
noch immer an ihm, und das behagt ihm überhaupt nicht. Als ihn Lenas SMS
erreichte, wollte er noch auf einen Kaffee gehen, da ihn Cench angerufen hatte,
dass er sich ein wenig verspäten werde. Der Journalist machte auf dem Absatz
kehrt. Da fiel ihm das Verfolgerauto noch nicht auf. Noch während Kokoschansky
fuhr, verständigte er Petranko, der wiederum Panker informierte.
Auch Freitag blieb nicht im Ungewissen. Das hatte Kokoschansky
übernommen. Einige Minuten überlegte er, ob er Cench einweihen soll und tat es
schließlich doch.
Jetzt ist Gefahr in Verzug, da kann er auf Mitnick keine Rücksicht
nehmen. Lena setzte noch eine weitere SMS an Kokoschansky ab mit dem Inhalt,
dass der Hacker nicht zurückgekehrt ist, dafür lautes Klopfen zu hören ist und
sie vorsichtshalber den Fluchtweg in Anspruch genommen hat. Daher kann es nur
von Vorteil sein, dass ein aktiver Bulle dabei ist.
Sternförmig rasen sie auf das Industrieviertel zu. Kokoschansky hofft,
dass Lena nichts passiert ist und Mitnick unversehrt zurückkehrt. Er versucht
einige Tricks, doch der Verfolger an seiner Stoßstange lässt sich nicht
abschütteln: Soweit Kokoschansky erkennen kann, sitzen zwei Männer in dem
Fahrzeug.
*
»Wer ist der Mann? Wer ist die Frau? Steckst du hinter FNews ?« Der
schlanke, durchtrainierte Typ in seiner verdreckten Maurerkluft spult
ununterbrochen seine Fragen ab. Mitnicks Augen sind längst verschwollen und
verquollen, nur aus kleinen Schlitzen nimmt er seine Umgebung wahr. Er hustet
und spuckt Blut. Mit der Zungenspitze fühlt er einige Zahnlücken, die
ausgeschlagenen Zähne liegen um ihn verstreut am Boden. Man hat ihn nackt auf
einen Thonetstuhl gefesselt, die geflochtene Sitzfläche wurde mit einem Messer
herausgeschnitten.
»Wer ist der Mann? Wer ist die Frau? Steckst du hinter FNews ?« Der
Akzent ist unüberhörbar, doch der Hacker kann ihn nicht zuordnen. Danke, Koko,
schießt es durch Mitnicks Gehirn, dass du mir das eingebrockt hast.
»Wer bist du?«
Der falsche Maurer schwingt das dicke Tau, an dessen Ende ein fester
Knoten ist, und schlägt erbarmungslos von unten zum wiederholten Male präzise
auf seine Weichteile. Mitnick brüllt, sackt zusammen und presst ein gequältes
Lachen hervor. »Wer ich bin?« Er keucht, zerrt an den Stricken, die tief in
seine Hand- und Fußgelenke einschneiden. »Bond, James Bond.” Wieder einer
dieser fürchterlichen Schläge auf die Kronjuwelen. »Ihr Arschlöcher habt euch
wohl zu viel Casino Royale reingezogen?« Wieder ein Schlag. Mitnick schreit wie
am Spieß, kippt mitsamt dem Stuhl zur Seite.
Sein Folterknecht dreht sich zu dem Mann im Hintergrund, fährt sich mit
dem Finger über den Hals als Zeichen des Umbringens. Der Mann schüttelt nur den
Kopf und verlässt den Raum.
*
»Wohin fährst du gerade?«
Kokoschansky hat sein Cryptophone auf den Beifahrersitz gelegt und den
Lautsprecher eingeschaltet.
»Ich komme vom Rennweg und bin jetzt am Anfang der Simmeringer
Hauptstraße, Freitag. Und du?«
»Ich habe soeben den Schwarzenbergplatz passiert und bin
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