Dunkle Schatten (German Edition)
glaubt noch immer, dass er Högers legitimer Nachfolger ist. Doch Ährenbach,
ich und einige andere sehen das allerdings ganz anders. Du bist fein raus
gewesen, Lukas, denn du bist verpflichtet, dich an die Gesetze des Landes zu
halten, und öffentlich wird es dir hoch angerechnet, dass du selbst massiv
gegen einen Parteifreund vorgehst, sobald die Rechtslage es erfordert. Dann
passiert dir der fatale Lapsus mit dieser Hure. Plötzlich ist die Lage eine
völlig andere. Ährenbach und ich dachten, dass wir Midas demnächst vom Hals
haben. Nein, jetzt haben wir ihn wieder dank dir und deinem Sexwahn als Klotz
am Bein, weil du dich selbst aus dem Rennen genommen hast.« Sauslinger öffnet
seine Aktenmappe, zieht ein vorbereitetes Blatt Papier heraus. »Das wirst du
jetzt unterschreiben. Kopie gibt es keine. Du wirst verstehen, dass ich eine
Rückversicherung brauche, nach allem, was passiert ist und auf dem Spiel
steht.«
Der Oberstaatsanwalt überfliegt die Zeilen, wird leichenblass und ringt
um Fassung.
»Du bist verrückt! Wie soll ich das anstellen? Wenn das herauskommt, bin
ich fertig.«
»Da«, Sauslinger hält ihm einen Kugelschreiber hin, »unterschreibe. Du
bist geliefert, wenn du nicht bei Midas aufkreuzt und jetzt nicht
unterschreibst.«
Bortners Jackett ist etwas verrutscht, und der Parteisekretär bemerkt
sofort dieses winzige rote Pünktchen, das verräterisch durch den Stoff der
Brusttasche an seinem weißen Hemd blinkt. »Du solltest darauf achten, genügend
Band zur Verfügung zu haben oder neue Batterien einlegen.« Mit einem Ruck zieht
er Bortner das kleine Tonbandgerät aus dem Hemd. »Ich darf doch?« Ohne eine
Antwort abzuwarten, lässt Sauslinger den neugierigen Spion in seiner Aktenmappe
verschwinden. »Wenn du schon mitschneidest, dann bitte etwas professioneller.
Siehst du, beispielsweise so.« Der Parteisekretär lüftet kurz seine Krawatte,
und darunter verbirgt sich ein winziges Mikro mit einem hauchdünnen Kabel, das
in die Innenseite seines Jacketts führt. »Unterschreib jetzt endlich«, herrscht
er ihn flüsternd, aber im Befehlston, an.
Mit zitternden Fingern und in krakeliger Schrift fetzt der
Oberstaatsanwalt seinen Namen auf das Schriftstück und stürzt aus der
Kirchenbank. Tränen rinnen ihm über die Wangen.
*
»Die sind aber flott«, lobt Lena anerkennend, als es an der Tür klingelt,
in der Meinung, es ist der Pizzaservice, »mir hängt der Magen bereits in den
Kniekehlen. Komme schon!« Mit schnellen Schritten eilt sie in den Flur, öffnet,
ohne sich ganz entgegen ihrer üblichen Gewohnheit zu vergewissern, wer draußen
steht, und ist mehr als erstaunt. »Du?«
»Guten Abend, allseits«, lacht der pensionierte Chefinspektor Thomas
Petranko, »keine Sorge, es wird nicht zur Gewohnheit, dass ich nun ständig
unangemeldet hereinschneie. Aber ich bringe gute, sehr gute Nachrichten. Ist
dein Koko auch zu Hause?«
»Na klar bin ich das!«, tönt Kokoschanskys sonore Stimme aus dem
Wohnzimmer. »Rein mit dir.«
»Wenn du magst, kannst du gleich mit uns mitessen«, bietet Lena an, »der
Pizzaservice muss jeden Augenblick kommen.«
»Die Einladung nehme ich gerne an und«, dabei grinst Petranko breit über
sein ganzes Gesicht, »die habe ich mir auch verdient.« Er lässt sich auf einen
Stuhl plumpsen, zieht ein Kuvert aus seiner Jacke und überreicht es
Kokoschansky. »Das wird dich besonderes interessieren.«
»Sag nicht, du …« Ungeduldig zieht der Journalist ein Papier aus dem
unverschlossenen Umschlag, sieht nur eine für ihn unverständliche mehrfarbige
Grafik und liest den Begleittext. »Bingo!«, ruft er aus und kann gar nicht
anders, als auf Petranko hinzustürzen, ihn zu umarmen und ihn fest an sich zu
drücken. »Danke, Alter, du hast mich vor dem Untergang bewahrt. Langsam hatte
ich schon Zweifel, ob ich nicht doch zu weit übers Ziel hinausgeschossen habe.«
Lena fällt Petranko um den Hals, küsst ihn auf beide Wangen. »Das heißt,
die DNA auf dem Kokspäckchen und unserer Abdeckung von der WC-Spülung sind
identisch.«
»Ja, mein Schatz! Ja!«, jubelt Kokoschansky. »Jetzt reiße ich denen den
Arsch auf! Jetzt werden sie mal den Koko so richtig kennen lernen.«
»Und ich werde morgen endgültig kündigen«, sagt Lena ruhig und mit einer
gewissen Wehmut in der Stimme, »jetzt habe ich allen Grund dazu. Ich will nicht
mit solchen Leuten im gleichen Betrieb arbeiten.«
»Willst du das wirklich?«, fragt Petranko. »Natürlich hast du allen
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