Dunkle Schatten (German Edition)
wird verstanden. Danach
dämpft er die Zigarette ab, steckt die Kippe ein, zerrt die Leiche aus dem
Auto, lässt sie liegen, nicht ohne vorher noch voller Verachtung auf sie zu
spucken. Dann steigt er ein und fährt in die Nacht hinaus. Gerade noch rechtzeitig,
bevor zwei kraftstrotzende Rottweiler bellend und zähnefletschend um die Ecke
zu dem Toten hinpreschen.
*
Mit nun doch flauem Gefühl in der Magengrube steht Kokoschansky vor dem
Eingang des La Femme. Lena und Petranko warten im Auto in einer Seitengasse.
Sie haben vereinbart einzugreifen, sollte Kokoschansky nicht binnen dreißig
Minuten wieder zurück sein.
Der Journalist blickt auf seine Uhr. Zwei Minuten vor zweiundzwanzig Uhr.
Noch zwei Züge, dann schnippt er die Kippe auf den Gehsteig. Mit Sicherheit hat
ihn bereits die Videokamera im Eingangsbereich erfasst. Was wäre nun wirklich,
wenn Lackner und Erharter ihn plötzlich in Empfang nehmen würden? Kokoschansky
löscht diesen Gedanken sofort wieder aus seinem Gehirn. Na und? Dann
recherchiert er eben.
Er drückt auf den Klingelknopf, ein leiser Summton ertönt, und die
silberfarbene Eingangstüre öffnet sich. Diffuses rötliches Licht, in jedem Puff
gleich, umhüllt ihn. Kokoschansky tritt ein, und eine in einem schwarzen Anzug
gekleidete, massige Gestalt, gegen die er wie ein Schuljunge wirkt, macht eine
einladende Handbewegung weiterzukommen. Es ist Husky, Sallers Mann fürs Grobe.
Im Zusammenhang mit Sallers Verhaftung in München wanderte auch Husky
hinter Gitter. Doch bald schon mussten sämtliche Anschuldigungen und
Anklagepunkte gegen ihn fallen gelassen werden. Er erwies sich als Steher und
treuer Diener seines Herrn. Sämtliche Zeugen fielen um. Plötzlich waren manche
unauffindbar und unbekannt verzogen, andere litten unter massiven
Erinnerungslücken, wogegen Alzheimer einer leichten Verkühlung gleichkam.
Letztlich blieb nur mehr Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Husky geht voraus in den hinteren Teil des Bordells, wo auch Kokoschansky
noch nie war. Wenn er sich mit Saller traf, dann stets auf neutralem Boden. Der
Kleiderschrank klopft dreimal an eine Türe mit einem Schild Privat. Dann ein
Kopfnicken. Husky spricht wenig, er argumentiert lieber im Bedarfsfall mit
seinen Fäusten. Kokoschansky darf eintreten und wird von Rambo, der ebenfalls
eingelocht war und dem ebenso wenig nachgewiesen werden konnte, begrüßt.
»Guten Abend, Koko«, sagt Rambo, »lange nicht mehr gesehen. Nimm Platz.«
So sieht das Innenleben der Schaltzentrale, Sallers verwaistes Büro, aus.
Zweifelsohne hat der Mann Geschmack. Kokoschansky bemüht sich, jegliche Regung
zu verbergen, obwohl er innerlich mehr als angespannt ist.
»Hallo, Rambo. Danke.«
Der Journalist setzt sich auf den ihm zugewiesenen Platz.
»Darf ich dir unseren Anwalt, Dr. Kerner, vorstellen? Aber ich glaube,
ihr kennt euch.«
»Guten Abend, Herr Kokoschansky. Ja, wir sind uns bekannt.«
Aus dem Halbdunkel in einer der hinteren Ecken des Büros löst sich ein
ebenfalls sehr elegant gekleideter Herr und gibt dem Journalisten die Hand.
Also der Consigliere, wie es in Mafiakreisen heißt, ist auch anwesend, denkt
Kokoschansky und bereut bislang keine Minute, hergekommen zu sein. Es wird
immer interessanter.
»Danke, dass du gekommen bist, Koko«, sagt Rambo. »Robert wird das sehr
zu schätzen wissen. Was willst du trinken? Soviel ich weiß, trinkst du keinen
Alkohol.«
»Stimmt. Ich nehme eine Cola.«
»Okay.« Rambo gießt ein Glas ein. »Wenn du rauchen willst, bitte gerne!«
Und lächelnd fügt er hinzu: »Wir sind kein Nichtraucher-Etablissement.«
»Warum bin ich hier?«
»Nun, Herr Kokoschansky«, schaltet der Anwalt sich ein, »mein Mandant
hält sehr große Stücke auf Sie, und Sie haben sich dieses Vertrauens stets
würdig erwiesen. Sie haben Herrn Saller immer sehr fair in Ihren Berichten und
Büchern behandelt. Das vergisst er nicht. Auch im Krankenhaus haben Sie ihn
nicht verpfiffen. Die Unannehmlichkeiten, die Sie sich dadurch eingehandelt
haben, tun uns aufrichtig leid. Aber wir glauben, Sie werden demnächst
fürchterlich zurückschlagen, und darauf sind wir sehr gespannt.«
»Darauf können Sie Gift nehmen«, sagt Kokoschansky völlig ruhig, »aber
damit eines klar ist, ich gehöre nicht zu euch. Ich bin der Grenzgänger,
ständig zwischen der guten und bösen Seite hin- und herpendelnd.«
»Das wissen wir, Koko, und so wird es auch bleiben.« Rambo bietet
Kokoschansky eine Zigarette an.
»Warum bin
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