Dunkle Schatten (German Edition)
beschwören
bereits einen Unterweltkrieg herauf und vermuten einen Racheakt Robert Sallers,
indem sie behaupten, dass Honsa den Kroaten an die Bullen verpfiffen hat. Der
Tod des Griechen war eine eindeutige Warnung.
Petranko und Kokoschansky verfolgen aufmerksam die Berichte. Für sie ist
durchaus vorstellbar, dass Saller seine Finger im Spiel hatte. Aber die drei
Brandmale sind ihnen ein Rätsel.
»Wenn Saller tatsächlich dahintersteckt«, meint Kokoschansky, »dann muss
es sich um ein Geheimzeichen handeln, das nur Insider verstehen. Vielleicht
sind damit drei Opfer gemeint? Das erste war der Grieche, Nummer zwei wird
Honsa sein, aber wer geht als Dritter drauf?«
»Du kannst ja Saller in Montenegro fragen«, erwidert Petranko gelassen,
»irgendwie lässt mich das Gefühl nicht los, oben am Hang hängt eine gewaltige
Lawine und donnert demnächst ins Tal.«
»Ich widerspreche dir nicht, Thomas«, stimmt Kokoschansky nachdenklich
zu, »es gibt Zusammenhänge. Du kennst mich lange genug und weißt, dass mein
Riecher nicht der schlechteste ist. Zuerst haut Saller ab, dann schieben sie
mir den Koks unter; eine zerstückelte, russische Hure wird gefunden, ich soll nach
Montenegro. Ein bisschen viel auf einmal, zu viel. Der einzige Scheißzufall
war, dass ich genau an dem Tag im Krankenhaus war, als Saller sich zur Flucht
entschloss.«
»Wann wirst du fahren?«, fragt Lena leise.
»Heute Abend lassen wir im Fernsehen die beiden BKA-Holzköpfe hochgehen,
und morgen bin ich bei Sallers Anwalt. Ich denke, dass ich übermorgen im
Flieger sitzen werde.«
»Und wie lange hast du vor zu bleiben?«
»Ich weiß es nicht, mein Schatz. Nur so lange wie unbedingt nötig. Keine
Sekunde länger.«
Lena nickt nur und verlässt das Zimmer. Niemand soll ihre feuchten Augen
sehen. Nach ein paar Sekunden des Schweigens schlägt Petranko sich auf die
Oberschenkel und steht auf. »Und ich werde mich jetzt ebenfalls dünnmachen.
Schließlich bin ich euch lange genug auf die Nerven gegangen. Hau dich ein
wenig aufs Ohr, damit du frisch aus dem Kasten schaust.« Petranko gähnt. »Im
Studio brauchst du mich nicht als Kindermädchen. Ich fahre jetzt heim, lasse
schuldbewusst das Donnerwetter meiner Frau über mich ergehen, und dann bin ich
auch in der Falle. Aber ich werde rechtzeitig aufwachen, um deinen Auftritt
nicht zu verpassen. Viel Glück.«
»Danke.« Kokoschansky drückt seinem Freund die Hand und fügt gleichzeitig
schadenfroh hinzu: »Wenn nötig, schreibe ich dir gerne eine Entschuldigung für
zu Hause.«
*
Der Pinsel der Maskenbildnerin kitzelt etwas um Kokoschanskys Nase, die
Frau trägt ihm reichlich Puder auf, um ihn kameratauglich herzurichten. In der
Tasche vor ihm auf dem Schminktisch ist das corpus delicti, das Kokainpäckchen,
verwahrt, das er, bevor er ins ORF-Zentrum auf den Küniglberg im 13. Bezirk
gefahren ist, von Mitnick abgeholt hatte. In seiner Jacke steckt eine Kopie der
DNA-Analyse und in einem Plastiktütchen Erharters Kaffeelöffel aus der
BKA-Kantine. Wenn kein Sendeausfall passiert, wird in wenigen Minuten einigen
Leuten in Österreich mehr als mulmig zumute sein.
Lena sitzt hinter Kokoschansky in der Maske und beobachtet ihn im
Spiegel. Noch ein bisschen Abtupfen und fertig. Nach langen Überlegungen kamen
sie beide überein, einen weiteren Coup doch nicht live im Studio durchzuziehen.
Lena wollte erklären, sie beabsichtige zu kündigen, wenn derartige Methoden
angewandt werden, um jemanden mundtot zu machen. Es war Petranko, der dringend
vor diesem Schritt an die Öffentlichkeit abriet. Noch ist sie Angehörige der
Polizei, untersteht dem Beamtendienstrecht und verfügt über keine
Interviewgenehmigung durch die Pressestelle. Das käme beruflichem Selbstmord
gleich, und ein Disziplinarverfahren mit allen nur erdenklichen Konsequenzen
wäre unvermeidbar. Daher soll Lena sich im Hintergrund halten, und Kokoschansky
kann im Interview durchaus anklingen lassen, dass ein derartiger Schritt in
Erwägung gezogen wird.
»Herr Kokoschansky, kommen Sie bitte.« Eine Redakteurin führt beide in
den Newsroom, wo Achim Fuchs, der Moderator der Sendung, ihn bereits
sendefertig erwartet. Lena wird in einen Nebenraum gebeten, wo sie über
Monitore das Geschehen mitverfolgen kann.
»Servus, Kollege«, begrüßt Fuchs Kokoschansky. »Das hätte ich mir auch
nie gedacht, dich einmal als Studiogast zu bekommen. Ein Vorgespräch können wir
uns sparen, du bist lange genug dabei und weißt, wie der Hase
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