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Dunkle Schatten (German Edition)

Dunkle Schatten (German Edition)

Titel: Dunkle Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Zäuner
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spricht der Wortführer, ohne
sich zu Kokoschansky umzudrehen, »aber nun Sie müssen das aufsetzen. Auto ist
aber klimatisiert, und Fahrt nicht dauern sehr lange.«
    Der Journalist riskiert einen Seitenblick und sieht noch ein
Richtungsschild mit dem Ortsnamen Ulcinj, bevor er sich das Ding überstülpt.
Schweigend fahren sie weiter, während Kokoschansky sich trotz der Klimaanlage
nach wenigen Minuten mit schweißnassem Gesicht in sein weiteres Schicksal fügt.
    Wenn sie wirklich nach Ulcinj fahren, dann ist es tatsächlich nicht sehr
weit, nicht einmal sechzig Kilometer von Podgorica entfernt, ganz im Süden und
nahe an der Grenze zu Albanien. Die Straße scheint nur aus Schlaglöchern zu
bestehen, doch den Fahrer stört es nicht, und er denkt nicht daran, den Fuß vom
Gaspedal zu nehmen. Manchmal drückt er heftig auf die Hupe, flucht sicherlich
nicht salonfähiges Zeug. Kokoschansky ist bemüht, sich irgendetwas von der
Strecke einzuprägen, Kurven und Steigungen, gibt aber nach wenigen Kilometern
auf.

 
    In der österreichisch-ungarischen Monarchie zählte das Land zum
Herrschaftsbereich der Habsburger. Unter Tito war Montenegro nur ein Teil
Jugoslawiens und fiel international nicht auf. Nach dem Zerfall entwickelte das
Land sich rasch zu einer Hochburg der Organisierten Kriminalität in Europa mit
dem Schwerpunkt Zigarettenschmuggel in großem Stil. Auch Drogen, Waffen,
Menschenhandel und das Verschieben gestohlener Fahrzeuge aus dem EU-Raum zählen
zu den illegalen Geschäftszweigen.

 
    Der Landrover schlängelt sich mühelos eine Anhöhe hoch. Entweder ist der
Fahrer ein Kamikaze, oder er kommt aus dem Motorsport. Kokoschansky spürt
bereits ein flaues Gefühl in seinem Magen. Die Reifen knirschen, Steine und
Sand spritzen, schlagen gegen das Blech. Plötzlich bremst der Wagen scharf ab,
Kokoschansky stemmt sich instinktiv mit den Händen an der Lehne des
Fahrersitzes ab. Er fühlt eine Hand an seinem Kopf. Endlich wird ihm die Kapuze
heruntergezogen.
    Kokoschansky muss ein paar Mal blinzeln, um sich wieder an das Licht zu
gewöhnen.
    »Wir sind angekommen«, gibt der Wortführer wieder einen Ton von sich,
»bitte, aussteigen und warten.«
    Ziemlich durchgeschüttelt klettert der Journalist aus dem Wagen, streckt
sich durch und glaubt, sich in einem Paten-Film wiederzufinden. Ein prächtiges
Anwesen, eine absolut protzige Villa mit riesiger Terrasse, einem parkähnlichen
Garten mit Palmen und allerlei Pflanzen, die er vorher noch nie in natura
gesehen hat, breiten sich vor seinen Augen aus. Fehlt nur noch, dass entweder
Marlon Brando als der alte Don Corleone oder Al Pacino als sein Sohn oder beide
die pompöse Freitreppe herunterschreiten. Überall sind Männer verteilt,
beobachten unbeweglich wie Statuen den Neuankömmling hinter schwarzen oder
verspiegelten Sonnenbrillen und halten MPs in ihren Händen, deren Läufe dankenswerterweise
auf den Boden gerichtet sind. Einige tragen auch zusätzlich Luparas, die
typischen abgesägten Schrotflinten der italienischen Mafia.
    »Bitte, Hände über Kopf«, befiehlt wieder der Gesprächige, »ich weiß, es
gibt strenge Kontrollen auf Flughäfen, aber trotzdem.« Dann beginnt er,
Kokoschansky nach eventuell doch versteckten Waffen abzutasten, während der
Stumme den Trolley durchsucht.
    »Ich habe ihnen gesagt, dass es bei dir nicht notwendig ist«, hört
Kokoschansky eine ihm sehr bekannte Stimme und dreht sich langsam um. Auf der
Freitreppe steht Robert Saller, in weißer Hose, mit eleganten Slippern und
weißem, offenem, heraushängendem Hemd. »Aber ich bin hier nur Gast.« Dann
breitet er die Arme aus, kommt Kokoschansky ein paar Stufen entgegen und begrüßt
ihn wie einen alten Freund. »Danke, dass du wirklich gekommen bist. Das werde
ich dir nie vergessen, egal, was immer passiert. Du wirst es nicht bereuen.«
    Zwei weitere Männer tauchen auf der Terrasse auf. Im Gegensatz zu Saller,
der sich tatsächlich ehrlich zu freuen scheint, sind ihre Mienen zwar
freundlich, aber abwartend. »Darf ich dir vorstellen, unser Gastgeber und
Besitzer dieser Pracht, Salvatore Madeo«, und wechselt sofort perfekt ins
Italienische – für ihn kein Problem, da er mehrere Sprachen fließend beherrscht
– um Kokoschansky bekannt zu machen. Der kleinwüchsige, ungefähr sechzigjährige
Italiener mustert ihn nicht unfreundlich, aber umso genauer von oben bis unten.
Kokoschansky weiß, wen er vor sich hat. Zum Glück funktioniert sein Namensgedächtnis
ausgezeichnet, und

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