Dunkle Schatten (German Edition)
gibt es? Drei, fünf, zehn oder mehr Millionen?
Kokoschansky geht ein paar Schritte zurück, legt an und ballert los. Das
Rattern der MP verursacht in der Totenstille einen infernalischen Lärm.
Die Projektile prallen an der Stahltür ab, spritzen unkontrolliert durch
das Zimmer, schlagen wahllos ein und zertrümmern einige noch heil gebliebene
Gegenstände. Kokoschansky hat mehr Glück als Verstand, dass er sich nicht
selbst außer Gefecht setzt. Doch die Kugeln können das Nummernschloss
zerschmettern, und es fällt in Teilen zu Boden. Er lässt die Ingram sinken,
sieht ein rauchendes Loch, hängt sich die Waffe wieder über die Schulter, und
mit einiger Kraftanstrengung lässt die Panzertüre sich öffnen. Mappen, CD-ROMs,
ein paar USB-Sticks, einige Bündel Bargeld in verschiedenen Währungen,
überwiegend Euro und Dollar. Kokoschansky entdeckt neben dem Schreibtisch einen
unversperrten Aktenkoffer. Auch darin sind einige Papiere. Er packt alle
Unterlagen hinein. Er hat keine Ahnung, was er mitgehen lässt, er kann nur
hoffen, dass zumindest einiges dabei ist, was wirklich von Nutzen ist.
Dann fällt sein Blick erneut auf die Geldstapel, er nimmt ein paar Packen
an Euro und Dollars und legt sie zu den Unterlagen im Aktenkoffer.
»Für Spesen und die Todesangst«, murmelt er und empfindet keinerlei Spur
schlechten Gewissens. Es ist Blutgeld, und im richtigen Moment wird er wissen,
wofür er es verwenden wird.
In seinem Zimmer packt er hastig seine Sachen in seinen Trolley und
trennt wieder den Akku vom Handy. Dann zieht er eine neue Jeans an und bemerkt,
dass eine der Kugeln, die für ihn bestimmt waren, ausgerechnet ein Rad seines
fahrbaren Koffers treffen musste. Noch immer mit geschulterter MP, links den
brisanten Aktenkoffer und rechts seinen lädierten Trolley verlässt er die
Villa. Etwas weiter weg vom Haus hatte er gestern einen Komplex gesehen, der
wie Garagen aussieht.
Der Fuhrpark kann sich sehen lassen. Ein Maserati, ein Ferrari, zwei
Mercedes, ein Nissan Pick-up und eine Harley Davidson. Ganz verschämt in einer
Ecke steht tatsächlich ein Fiat Uno.
Er entscheidet sich für den unauffälligen grauen Fiat Uno mit
italienischem Kennzeichen. Das Knurren hinter ihm lässt ihn zusammenzucken und
erstarren. Es klingt nicht freundlich. Langsam und vorsichtig dreht er sich um.
Rund fünf Meter vor ihm steht ein wunderschöner, stattlicher Schäferhund ohne
Halsband, der ihn nicht aus den Augen lässt und jede noch so winzige Bewegung
mit einem weiteren Knurren quittiert. Kokoschansky nimmt seinen ganzen Mut
zusammen. Mit Hunden konnte er immer gut umgehen.
»Na, du«, sagt er mit ruhiger Stimme, »haben sie dich übersehen, oder
bist du rechtzeitig verduftet? Komm her, ich tue dir nichts. Bin selbst froh,
wenn ich hier heil verschwinden kann. Na, komm her, du Prachtkerl.« Das Knurren
verstummt, doch der Rüde bleibt auf Distanz. Noch ist er sich nicht sicher, ob
er dem Langen vertrauen kann. »Nun, sei nicht so feig. Ich habe bisher nur
Leichen gesehen. Es tut gut, endlich wieder ein Lebewesen vor sich zu haben.
Leider habe ich nichts für dich außer ein paar Streicheleinheiten.« Langsam
streckt Kokoschansky ihm seine Hand entgegen, und der Hund geht ein paar
Zentimeter auf ihn zu. Kokoschansky geht in die Hocke. »Siehst du, ich will dir
nichts Böses. Was wird jetzt wohl aus dir werden? Wenn du sprechen könntest,
wäre ich um einiges klüger. Oder gehörst du gar nicht hierher? Bist du nur auf
Besuch gekommen?« Mit spitzen Ohren beschnüffelt der Schäfer Kokoschanskys
Hand, wird von Sekunde zu Sekunde zutraulicher, leckt sie ab, beginnt, langsam
zu wedeln. Das Eis ist gebrochen. »Tja, mein Alter, leider kann ich dich nicht
mitnehmen.« Kokoschansky streichelt ihm sanft über den Kopf, und der Hund
schmiegt sich an ihn.
Das Kurzschließen der Zündung kann er sich sparen. Ein netter Mensch hat
den Schlüssel stecken lassen. Kokoschansky startet, der Motor springt sofort
an, die Nadel des Benzinanzeigers zeigt auf drei Viertel vollen Tank. Das muss
reichen. Jetzt kann er nur hoffen, dass er auf schnellstem Weg nach Podgorica
zurückfindet und nicht in eine zufällige Polizeikontrolle gerät. Er wirft
seinen kaputten Trolley auf die Rückbank, den Aktenkoffer legt er auf den
Beifahrersitz, die Ingram griffbereit darauf. Unterwegs wird er die Waffe
irgendwo wegwerfen.
Im Handschuhfach findet er einen geladenen Trommelrevolver. Das zählt in
diesen Kreisen anscheinend zur
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