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Dunkle Schatten (German Edition)

Dunkle Schatten (German Edition)

Titel: Dunkle Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Zäuner
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einiges pompöser. Es
dürfte sich um den Privatbereich des `Ndrangheta-Bosses handeln. Kokoschanksy
hört nur sein eigenes, schweres Atmen. Auch hier muss ein längerer Kampf
stattgefunden haben.
    Obwohl es noch kühl ist, klebt die Kleidung am Körper. Bisher fünf
Leichen, mit Daramci ć sechs. Ein imaginäres, riesiges Laken des Todes ist über dem Areal
ausgebreitet und beinahe körperlich zu spüren. Unangenehm wie ein riesiges
Spinnennetz, in dem man sich verfängt.
    Kokoschansky erreicht eine große, moderne, bestens ausgestattete Küche, die
jedem Haubenrestaurant zur Ehre gereichen würde. Auf Tabletts türmen sich
benutztes Geschirr und die Reste des vergangenen Mahles. Wieder knipst er seine
Fotos und ist froh darüber, keine Toten zu finden. Auch in den weiteren Räumen
des Erdgeschosses ist niemand anzutreffen. Langsam steigt Kokoschansky eine
ausladende Freitreppe hoch, die ihn unwillkürlich an eine Szene mit Al Pacino
als Tony Montana in Scarface erinnert.
    Verdammt noch mal, wo sind die Frauen und Kinder geblieben? Kaum hat er
diesen Gedanken zu Ende gesponnen und eine Tür aufgemacht, erstarrt er. Es
riecht nach Blut, sehr viel Blut. In diesem Badezimmer wurde gnadenlos gewütet.
Eine junge Frau, vielleicht um die fünfundzwanzig Jahre alt, in einem dünnen
Nachthemd, kniet vor einer großen Marmorbadewanne, hängt mit dem Oberkörper
halb über den Rand. Ihr wurde mehrmals erbarmungslos in den Rücken geschossen
und, nach den Einschusslöchern zu schließen, war dafür ein großes Kaliber
verantwortlich. Eine zweite Frau in Unterwäsche ist neben einem Waschbecken
zusammengesackt, hält in ihrer rechten Hand noch verkrampft eine Zahnbürste.
Sie wurde in Kopf und Brust getroffen. Das Todeskommando muss bestens
vorbereitet gewesen sein und über exzellente Ortskenntnisse verfügt haben.
Kokoschansky zittern die Hände, als er die Handykamera auf die ermordeten
Frauen richtet, zwingt sich, ruhig zu bleiben, und drückt blindlings ab.
    Im Flur lehnt er sich an die Wand, atmet mehrmals tief durch, sieht in
einigen Metern Entfernung drei tote Männer am Boden liegen. Weitere Leibwächter
Madeos. Kokoschansky ist tatsächlich bis in den privaten Bereich des Bosses
vorgedrungen. Der Überfall muss völlig überraschend gekommen sein, sämtliche
Anwesenden wurden überrumpelt. In den Wänden unzählige Einschusslöcher und von Kugeln
durchsiebtes Mobiliar.
    Einer der toten Bodyguards liegt quer im Flur, und Kokoschansky ist
gezwungen, über ihn hinwegzusteigen. Die starren Augen scheinen den
Journalisten zu verfolgen, als er nebeneinanderliegende Türen mit Comicfiguren
sieht. Ein untrügliches Zeichen für Kinderzimmer. Er presst sich die Hand vor
den Mund, drückt sachte die Klinke herunter und weiß, die Bilder, die sich ihm
gleich präsentieren werden, wird er nie wieder aus seinem Gedächtnis verbannen
können. Keines der Kinder, die er noch vor einigen Stunden fröhlich und
ausgelassen spielend gesehen hatte, hat überlebt. Sie wurden im Schlaf
überrascht und mit mehreren Kopfschüssen in ihren Betten regelrecht
hingerichtet. Drei Jungen und vier Mädchen, vom Kindergarten- bis zum Schulalter.
    Kokoschansky blickt in das entstellte Gesichtchen eines kleinen Mädchens
mit Stoppellocken, dem eine Kugel ins linke Auge eingedrungen war. Er kotzt
sich die Seele aus dem Leib und weint gleichzeitig hemmungslos. In dem Bettchen
liegt nicht mehr das unbekannte Kind, sondern sein ermordeter Sohn. Im
Badezimmer hängt Lena tot über der Wanne. Er schlägt sich mit der Faust auf die
Stirn, will die grässlichen Trugbilder verscheuchen, seine Wut und Verzweiflung
hinausbrüllen. Kokoschansky nimmt die blutbespritzte Puppe, legt sie in das
kalte Ärmchen des Mädchens, streicht zärtlich über das Händchen.
    Wer auch immer diese Liquidierungsaktion angezettelt hat, wollte ein
Exempel statuieren und war von unbändigem Hass auf die Nammoliti-Familie
erfüllt. Vendetta, Blutrache, wie sie blutrünstiger nicht sein könnte. Wie
viele Leute müssen an diesem grauenhaften Gemetzel beteiligt gewesen sein, um
dermaßen gründlich aufzuräumen?
    »Ich lasse euch alle hochgehen, ihr gottverfluchten Arschlöcher«, murmelt
er vor sich hin, »auch Saller. Scheißegal … Ich will euch alle für immer hinter
Gittern sehen oder, noch besser, tot wie diese Kinder.«
    Er hat genug gesehen. Er will nur noch Salvatore Madeo finden, dann das
Arbeitszimmer auf den Kopf stellen und weg. Ob Saller inzwischen abgekratzt ist
oder

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