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Dunkle Schatten (German Edition)

Dunkle Schatten (German Edition)

Titel: Dunkle Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Zäuner
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ein ausgiebiges Frühstück. Er ist todmüde,
doch der Kaffee und die vorzüglichen, einheimischen Spezialitäten, von denen er
keine Ahnung hat, was es ist, wecken seine Lebensgeister wieder. Ob Saller es
wohl geschafft hat? Kokoschansky ist sich nicht sicher, ob seine Verletzungen
wirklich so schwer waren oder ob er nur gespielt hat. Gut hat es auf jeden Fall
nicht ausgesehen, aber Saller ist ein harter Knochen.
    Der Tipp des Kellners erweist sich als goldrichtig. In dem Laden, nur ein
paar Schritte vom Hotel entfernt, findet Kokoschansky, was er braucht. Mit
einer neuen Reisetasche und einigen Päckchen Marlboro kehrt er zum Auto zurück,
fährt ein Stück weiter zu einer entlegenen Stelle und packt um. Danach sucht er
das Ortsende des Städtchens, entdeckt ein Wäldchen, den idealen Platz, um sich
des Autos zu entledigen. Er schnappt sich seinen lädierten Trolley, hängt sich
die Reisetasche um und geht zurück zur Straße. Unrasiert, ziemlich abgerissen,
sieht er wie ein Globetrotter aus, der sein Leben damit verbringt, sich die
Welt anzusehen und sich durchs Leben zu schlagen. Mittlerweile ist es heiß
geworden, weit und breit keine Aussicht auf Schatten. Es dauert nicht lange,
bis Kokoschansky durchgeschwitzt ist. Auch sein Hinkebein beginnt, wieder zu
schmerzen, und der Riemen der Tasche schneidet in seine Schulter ein.
    Das sind die Momente, in denen er sich zu fragen beginnt: wozu? Hätte er
damals sein Geschichtsstudium abgeschlossen und wäre, wie er es ursprünglich
geplant hatte, an der Universität geblieben, wäre er wahrscheinlich heute
Dozent mit geregeltem Leben und Einkommen, keinen Gefahren ausgesetzt.
Hinterher ist man immer klüger. Ob er allerdings glücklich geworden wäre,
zumindest was er auf seine Art unter Glück versteht, steht auf einem anderen
Blatt.
    Das Schnaufen eines altersschwachen Lasters reißt Kokoschansky aus seinen
trüben Gedanken. Der fahrende Rosthaufen bleibt neben ihm mit quietschenden
Bremsen stehen, stinkt fürchterlich, und der Fahrer beugt sich zu ihm herunter,
spricht ihn auf Montenegrinisch an. Kokoschansky schüttelt den Kopf, versucht
es auf Englisch, was wiederum von der anderen Seite nicht verstanden wird. Also
dann auf Deutsch.
    »Ah, deutsch«, grinst der Lenker, der auch ohne Maske problemlos in jedem
Western den Bösewicht spielen könnte, »du Deutscher?«
    »Nein. Austria, Österreich.«
    »Ah, Österreich! Gutes Land! Wien?«
    »Genau«, lacht Kokoschansky.
    »So schönes Stadt. Ich arbeiten zwei Jahre am Bau dort. Für U-Bahn. Wohin
du müssen?«
    »Podgorica, Flughafen.«
    »Ich dich bringen, keine Problema. Schmeißt du hinten deine Krempel auf
Ladefläche. Komm, steigen ein.« Bereitwillig öffnet er die Beifahrertüre.
    Mit Schwung wirft Kokoschansky sein Gepäck auf den Laster und hievt sich
ins Führerhaus.
    »Ich Predag«, er reicht dem Journalisten die Hand, »und du?«
    »Heinz.«
    Das Getriebe erzeugt erbarmungswürdige Geräusche, als Predag den Gang
einlegt, und der Laster setzt sich ruckartig in Bewegung. Es dauert eine Weile,
bis die altersschwache Kiste halbwegs Tempo erreicht, aber besser schlecht
gefahren als laufen.
    Die Fahrt ist sehr unterhaltsam, und Kokoschansky kann zumindest für ein
Weilchen die schrecklichen Erlebnisse der letzten Stunden verdrängen. Predag
martert seinen LKW, fährt, als gelte es, dem Teufel zu entkommen, raucht dabei
ununterbrochen, wobei es sich, dem Geruch nach zu schließen, um gemahlene
Fußmatten handeln muss. Jedenfalls ein Tabak, der selbst einem starken Raucher
wie Kokoschansky den Genuss verleidet. Mehrmals lehnt er dankend die
angebotenen Zigaretten ab und flüchtet sich in die Notlüge, dass er nur auf
seine Marke eingehustet ist. Predag erzählt ununterbrochen, wie schön es in
Wien war und dass er einiges Geld sparen konnte, dadurch seiner Familie,
immerhin muss er sechs hungrige Mäuler stopfen, ein angenehmes Leben
ermöglicht. Natürlich will er auch wissen, womit Kokoschansky seinen
Lebensunterhalt verdient. Der Journalist faselt etwas von einer Erbschaft und
dass er jetzt einmal richtig ausspannt.
    Die abenteuerliche Fahrt nähert sich langsam dem Ende zu, und
Kokoschansky ist nicht unglücklich darüber, denn Predag fährt nach dem Motto,
dem Stärkeren gehört die Straße. Verkehrszeichen und Ampeln sind für die
anderen gedacht, er hat seine eigenen Regeln. Der Laster rumpelt durch die
Straßen von Podgorica, Kokoschansky versucht, sich zu orientieren, gibt es aber
bald auf, weil es

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