Dunkle Schatten (German Edition)
zwecklos ist. Marka Miljanova liest Kokoschansky auf einem
Straßenschild, als Predag an einer Kreuzung doch das Ampelrot notgedrungen
akzeptieren muss. Mit einem Ruck setzt der Laster sich wieder in Bewegung,
biegt in diese Straße ein, und plötzlich hat Kokoschansky eine Eingebung, die
ihn vor eventuellen Schwierigkeiten bewahren wird.
»Halt hier, bitte«, sagt er zu Predag, als er eine DHL-Zweigstelle
entdeckt.
»Warum? Flughafen nicht mehr weit.«
»Mir ist noch etwas eingefallen, das ich unbedingt erledigen muss.«
»Wenn du meinen.« Predag ist sichtlich eingeschnappt, aber seine Miene
erhellt sich sofort, als Kokoschansky ihm eine Zweihundert-Euro-Note in die
Hand drückt. »Das zu viel. Ich Kollega von dir, du Kollega von mir.« Und er ist
eine ehrliche Haut.
»Das passt so, Predag«, lächelt Kokoschansky, »du hast mir sehr geholfen.
Vielen Dank!«
Mafiageld auszugeben, macht richtig Spaß, und in diesem Fall ist dieser
Schein sicherlich sehr gut angelegt. Unbedacht springt er aus dem Führerhaus,
genau auf sein verletztes Bein, was ihm sofort mit einem brennenden Stich
heimgezahlt wird.
»Alles okay, Heinz?«, fragt Predag, der sogleich sein schmerzverzerrtes
Gesicht bemerkt.
»Ja, ja«, wehrt Kokoschansky ab und hebt sein Gepäck von der Ladefläche,
»bin nur blöde aufgetreten. Also dann, mach’s gut und nochmals danke!«
»Okidoki«, Predags Goldzähne blinken im Sonnenlicht, »wenn du wieder in
Montenegro sein, wir laufen uns bestimmt übern Weg. Ist kleines Land. Ich
wohnen in Ulcinj.«
Predag winkt, gibt Gas und hüllt seinen Laster in eine schwarze, zum
Erbrechen stinkende Auspuffwolke.
Zumindest eine Sorge ist Kokoschansky los, und er ärgert sich, dass er
nicht von selbst darauf gekommen ist und förmlich mit der Nase darauf gestoßen
wurde. Er wird die brisanten Unterlagen und die Videobänder kurzerhand per DHL
nach Wien schicken, und bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen ist er aus
dem Schneider.
Als er die heiße Fracht auf den Versandweg gebracht hat, steht
Kokoschansky vor der DHL-Zweigstelle und zündet sich genüsslich eine Zigarette
an. Nach wenigen Minuten gelingt es ihm, ein Taxi anzuhalten. Natürlich weiß
der Chauffeur sofort, dass ein Tourist im Fond sitzt, und im Gegensatz zu
Predag dürfte der Typ ein Schlitzohr sein, denn Kokoschansky bemerkt mehrmals,
wie er bewusst Hinweisschilder in Richtung Flughafen übersieht, und bestimmt
wird auch der Taxameter manipuliert sein. Was soll’s? Eine ungeplante
Sightseeing-Tour vor dem Heimflug schadet nicht, schließlich bezahlt Madeo
unselig.
Endlich ist der Tower des Flughafens in Sichtweite. Achtzig Euro kostet
die Fahrt, und Kokoschansky bezahlt mit hundert, Rest Trinkgeld. Zurück bleibt ein
dreist grinsender Taxilenker, der sicherlich seinen Kollegen stolz erzählen
wird, wie er einen dämlichen Touristen über den Tisch gezogen und sich dabei
eine goldene Nase verdient hat.
Kokoschansky beschließt, direkt von Podgorica nach Wien zu fliegen. Jetzt
gibt es keinen Grund mehr, die Route zu verschleiern.
Genügend Zeit vor dem Boarding noch Robin Hood zu spielen. Kokoschansky
sucht eine Toilette auf, überprüft ob Überwachungskameras vorhanden sind, doch
der Raum ist sauber. Er nimmt aus dem Behälter die Papierhandtücher heraus,
präpariert sie mit Madeos Dollar- und Euroscheinen und stopft den Packen wieder
zurück. Sicherlich wären die verdutzten Gesichter der Finder hochinteressant.
Danach noch einen Happen Essen und das Gehalt der Kellnerin erheblich
aufbessern. Es macht Spaß, Mafiageld zu verpulvern.
Der Beamte in seinem Glaskobel sieht mit ausdruckslosem Gesicht auf
Kokoschanskys Pass und winkt ihn mit einem lässigen Kopfnicken durch. Ach du
meine Güte, das Geschenk für Günther! In der Hektik und Aufregung hätte er
beinahe darauf vergessen. Rabenvater, tadelt er sich selbst. Der Journalist
eilt in den Bereich der Duty-free-Shops, in der Hoffnung, ein
Spielwarengeschäft zu finden. Die Auswahl ist nicht unbedingt überwältigend.
Er entscheidet sich für zwei knallig bunte T-Shirts mit lustigen Motiven,
die seinem Jungen sicherlich gefallen werden. In spätestens drei Monaten passen
ihm die Leibchen nicht mehr. Man kann dem kleinen Racker förmlich beim Wachsen
zusehen. Von wem er das wohl hat?
Langsam wird es Zeit für das Boarding. Kokoschansky nimmt seine
Armbanduhr ab, legt sie in die graue Plastikwanne, dazu den Gürtel seiner Hose,
nimmt das Handy aus seiner Jacke, beides wandert in den
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