Dunkle Schwinge Bd. 2 - Der dunkle Pfad
taten es auch mir an, obwohl ich keine Fühlende bin. Was glauben Sie, wie ich mich fühle? Ihre Geistberührung ist fremd für mich, aber sanft. Was die machten …« Ihre Hände begannen zu zittern. »Es gibt keine Worte, um das zu beschreiben -selbst wenn ich mich daran erinnern wollte.«
»Wir befinden uns nicht in der gleichen Position.« »Da haben Sie verdammt Recht. Ich bin Ihre Vorgesetzte. Es fällt in meine Zuständigkeit, Ihnen Befehle zu geben. Und das werde ich jetzt tun: Sie werden nichts anderes verspüren als ein tief greifendes Gefühl des Wohlbehagens, ausgelöst durch Ihre verantwortungsvolle Pflichterfüllung gegenüber der Navy Seiner Imperialen Hoheit und mir gegenüber. Ist das klar?«
»se Jackie, ich …«
»Ich glaube, ich habe Ihnen soeben einen Befehl gegeben, Kommandant.« Sie drückte seine Arme.
»Jawohl, Ma’am.« Er drückte im Gegenzug ihre Arme und zog die Krallen in ihre Hüllen zurück.
»Bewirkt hat es aber ein wenig, nicht wahr?«
»Es löst nicht das Problem«, erwiderte er. »Aber ich habe ein besseres Gefühl, was den Gefallen angeht, um den ich Sie bitten möchte.«
»Ich höre.«
»Wäre ein Clanbruder oder eine Clanschwester anwesend, könnte ich sie rechtmäßig bitten, mir beim Dsen’yen’ch’a beizustehen. Doch keiner von ihnen ist hier.« Er griff nach dem mitgebrachten Päckchen und reichte es Jackie. »Aber vielleicht kann ich anstelle einer solchen Person Sie darum bitten, mich zu begleiten.«
Sie entfernte behutsam das Papier und förderte etwas Zusammengefaltetes aus karmesinrotem Stoff zutage. Als sie den Stoff auseinanderschlug, erkannte sie, was es war: das spezielle Gewand, das Ch’k’tes Partnerin für ihn angefertigt hatte.
Stumm saß sie da und hielt den Stoff in den Händen. In der Zor-Gesellschaft gab es so viele Feinheiten, dass sie nicht wusste, welche Verpflichtung sie einging, wenn sie sich einverstanden erklärte. Genauso wenig konnte sie absehen, wie Ch’k’te auf eine Ablehnung reagieren würde.
Ging es ihm nur um die Ehre? Würde der Hohe Kämmerer ihm tatsächlich Verrat vorwerfen wollen, nur weil ein schrecklicher Alien seinen Verstand dominiert hatte?
Und was würde sich bei diesem Ritual abspielen, vorausgesetzt der Kämmerer gestattete ihr, Ch’k’te beizustehen? Sie war keine Fühlende, und sie verstand nicht alles, was die Zor betraf. Was erwartete Ch’k’te von ihr? Als seine Vorgesetzte und gute Freundin war ihre Beziehung einfach gewesen. Aber was stellte sie jetzt für ihn dar? Eine Art Ersatz für Th’an’ya?
»Ch’k’te, ich … ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Selbstverständlich fühle ich mich geehrt, dass Sie in mich ein solches Vertrauen setzen. Aber ich gehöre nicht zum Volk, und ich weiß nicht, ob ich diese Rolle übernehmen kann.«
»Sie sind eine Freundin, und das genügt, se Jackie. Wir haben Leben und Tod geteilt und unseren Geist einander geöffnet. Wem könnte ich mehr vertrauen?«
Man hatte ihr stets gesagt, das Gesicht eines Zor sei fremd und lasse sich nicht durchschauen. Zudem sei es verkehrt, auf Äußerungen eines Zor menschliche Maßstäbe anzuwenden. »Sie drücken Schmerz, Wut oder Bedauern nicht so aus wie wir«, hatte der Professor für Exokultur an der Akademie immer gesagt. »Sie befinden sich in einer uns fremden geistigen Verfassung.«
Doch als sie jetzt dasaß, das zeremonielle Gewand auf dem Schoß, schien dieses allzu vertraute Gesicht ihr gegenüber nichts zu vermitteln – außer tiefer Zuneigung und Respekt. Vielleicht hatten die Experten, die den Zor jegliche deutbare Mimik absprachen, bloß nicht genau genug hingesehen.
»Also gut«, erklärte sie schließlich. »Dann sagen Sie mir, was ich tun soll.«
Jackie fühlte sich in ihrer Galauniform unbehaglich, die erst ein paar Stunden zuvor angeblich exakt nach ihren Maßen hier auf der Station geschneidert worden war. Ihre eigene Uniform hatte sie auf Cicero zurückgelassen, die neue war noch steif und schien einfach nicht richtig zu sitzen.
Sie wartete vor der Tür darauf, dass der Gerichtsdiener zurückkehrte, nachdem er dem Ausschuss ihr Eintreffen angekündigt hatte.
Schließlich wurde die Tür geöffnet, und sie betrat langsam den Raum, in dem drei Männer an einem langen Tisch saßen. Diesem gegenüber standen ein kleinerer Tisch und ein Stuhl mit einer kerzengeraden Rückenlehne. Der Gerichtsdiener bedeutete ihr, sich dort hinzusetzen, dann kehrte er zur Tür zurück.
Sie legte ihre
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