Dunkle Seelen
seine Missus hat Wind davon gekriegt, also hat er das arme Mädchen in eine Kuh verwandelt, um sie zu verstecken. Aber Mrs Z. ließ sich nicht täuschen, sie sandte eine Biene, die der Kuh ins Hinterteil stach. Und Io schoss davon und paddelte, so schnell ihre Hufe konnten, über die Meerenge — daher der Name Bosporus, wörtlich >Kuhfurt<. Ha!«
Richard strich sich einfältig das Haar aus den Au gen. »Richtig. Offensichtlich machst du tatsächlich deine Hausaufgaben. Du bist nicht nur schön, sondern oben drein auch noch intelligent.«
Das Kompliment trieb Cassie eine unerwartete Röte in die Wangen. »Hm, ähm, ich hab gebüffelt, weil ich dieses Jahr mal diejenige sein wollte, die finstere Bemerkungen über heidnische Gottheiten macht«, witzelte sie und bewahrte Haltung. Er kicherte, und Cassie bemerkte, dass er Grübchen hatte. Waren ihr diese Grübchen schon früher aufgefallen? Rede weiter, Cassie, dachte sie. »Wie dem auch sei, findest du nicht, dass hier alle ein wenig zu sehr von Göttern besessen sind? Deswegen sind die Auserwählten auch so...«
»... eingebildet?«, beendete Richard den Satz für sie.
Cassie grinste. Sie konnte nicht anders. »Genau.«
Sie musste an Isabellas schamlose Kuppeleiversuche denken und musterte ihn abermals, wie er geistesabwesend mit einer überhängenden schwarzen Orchideen ranke über das steinerne Becken strich. Es hatte keinen Sinn, es abzustreiten. Richard sah tatsächlich verdammt gut aus, war ein Charmeur, hatte verführerische grüne Augen und einen sexy Mund...
Aber nein. Es wäre Wahnsinn, sich in jemanden zu ver lieben, der so wankelmütig war. Und manchmal war Cassie sich nicht sicher, ob seine »Warum-nicht«-Einstellung überhaupt von Vorteil für sie war. Wer weiß, dachte sie, vielleicht steht er mehr auf Jungs? Was, wenn Mädchen nur eine willkommene Abwechslung für ihn waren? Ein gelegentlicher Ausflug? Nicht dass sie vorhatte, sein Wochenendausflug zu werden. Jedenfalls nicht ernsthaft... Wankelmütig!, rief sie sich in Erinnerung. Unzuverlässig, sprunghaft, oberflächlich ... Aber andererseits waren da diese Wangenknochen, so markant wie seine Armmuskeln ... Oh, hör auf damit, Cassie!
Richard sah sie durch seine dunklen Wimpern an.
»Hey, Cassie?« Er zögerte. »Ich bin dir dankbar, weißt du.«
»Wofür?«
»Dafür, dass du mir verziehen hast.«
»Ich habe nie gesagt, dass ich dir verziehen habe.« Sie zog eine Augenbraue hoch. »Es ist nur so: Isabella ist immer noch ziemlich niedergeschlagen, und wenn ich nicht mit dir rede, verpasse ich am Ende womöglich noch den neuesten Schultratsch.«
Er grinste frech. »Also dann muss ich dir unbedingt etwas erzählen. Was machst du an deinem freien Nachmittag? Willst du mit nach Beyoglu kommen? Ich kenne dieses...«
»... perfekte kleine Cafe?«, äffte sie ihn trocken nach und musste an seine verhängnisvollen Worte in ihrem ersten Trimester an der Akademie denken. »Hmm. Nein, danke. Außerdem hatte ich mir etwas Kulturelles vorge- nommen. Die Blaue Moschee vielleicht.«
Er wirkte gekränkt. »Hey, ich kann auch einen auf Kultur machen, Ms Bell. Ich könnte dir etwas ganz Besonderes zeigen, die - äh, oh.« Auf den Fliesen waren Schritte laut geworden und Richard schaute nervös an Cassie vor bei. Dann wandte er sich zwinkernd wieder ihr zu. »Ich denke, es wird Zeit für meinen Kakao. Bis später, Cassie.«
Fragend warf sie einen Blick über ihre Schulter.
Sir Alric Dark.
Er war unverändert: hochgewachsen, imposant, mit einem teuflischen Lächeln und einem beängstigend intelligenten, allwissenden Glitzern in seinen granitgrauen Augen. Doch obwohl er auf sie zukam, war Cassie nicht beunruhigt. Er nickte ihr zu und schien belustigt über Richards jähes Verschwinden.
»Guten Tag, Cassie.«
»Was hatte sie erwartet? Früher oder später würde sie sich ihm stellen müssen, also konnte sie es genauso gut jetzt gleich tun. Sie hatte keine Angst vor ihm – nicht mehr.
»Hallo, Sir Alric.«
»Schön, dass Sie wieder da sind.«
Cassie unterdrückte ein höhnisches Lachen. Seit der Abstimmung des Ältestenrates im vergangen Trimester schien der Kommentar besonders bedeutungsschwer. »Wie gefällt Ihnen Istanbul?«, fuhr Sir Alric fort.
Verdammt, offensichtlich war er entschlossen mit ihr zu plaudern. Sie schluckte eine bissige Antwort herunter und sah ihn mit einem gepressten Lächeln an. »Die Stadt ist sehr schön. Zumindest das, was ich davon gesehen habe.«
»Das freut mich. Ich
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