Dunkle Sehnsucht des Verlangens
bestehen schien. Außerdem war er
ebenso gnadenlos wie Darius. Ein Einzelgänger. Ein großer Krieger, der die
Schlachten vieler Jahrhunderte hinter sich gelassen hatte. Julian schien nichts
vor ihr verbergen zu wollen, nicht einmal die schreckliche, trostlose
Finsternis. Er war immer einsam gewesen, selbst als er noch bei seinem Volk
gelebt hatte. Immer allein. Bis jetzt. Vorsichtig und mit wachsendem Unbehagen
erkundete Desari die dunkle Seite seiner Gedanken.
Wandle deine Gestalt, piccola. Ich werde dir ein Bild
geben, das du benutzen kannst. Sie konnte Julians Drängen nicht mehr ignorieren.
Darius war bereits in der Nähe.
Gemeinsam schwangen sie sich in
die Lüfte. Ihre Herzen schlugen im selben Takt, und in der Dunkelheit schimmerten
ihre Federn silbrig. Mit kräftigen Flügelschlägen erhoben sie sich immer weiter
in den Nachthimmel hinein und flogen auf die Berge in der Ferne zu.
Julian konnte es kaum fassen,
dass er in der Lage war, die Schönheit der Nacht mit Desari zu teilen. Den
Anblick der Farben empfand er nun als neu und wundersam. Die
Blätter der Bäume unter ihnen
schimmerten silbrig und spiegelten sich im glitzernden Wasser eines großen
Sees. Julian hörte den gespenstischen Schrei einer Eule, die ihre Beute
verfehlt hatte, und das leise Rascheln der Mäuse auf dem Waldboden.
Solange Desari vollständig mit
ihm verbunden war, hatte Darius keine Chance. Sobald sie sich jedoch wieder von
Julian trennte, würde es ihm gelingen, sie zu finden. Der Trick bestand also
darin, sie möglichst weit fortzubringen und in kürzester Zeit einige falsche
Fährten zu legen, damit Darius die Verfolgung abbrechen musste, um bei Anbruch
der Dämmerung Schutz zu suchen.
Desari zögerte, als sie Julians
Absichten in seinen Gedanken las. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie
auch am Tage von ihrer Familie getrennt sein würde, während sie am
verwundbarsten war. Doch sofort sandte Julian ihr eine Welle von Wärme und
Trost, denn der Instinkt eines Karpatianers, immer für das Wohlergehen seiner
Gefährtin zu sorgen, stand über allen anderen Überlegungen. Solange Desari bei
ihm war, würde ihr nichts geschehen.
Und was ist mit dir? Bin
ich vor dir sicher? Desari stellte die Frage vorsichtig, denn sie spürte Julians Verlangen
nur allzu deutlich, zumal sie ebenso für ihn empfand. Seine schreckliche,
unstillbare Sehnsucht galt ihr allein. Nur sie war in der Lage, das Feuer zu
löschen, das tief in ihm brannte. Dieses Wissen allein genügte schon, um
Desaris Widerstand zu schwächen.
Ja, Desari. Ich würde dich mit
meinem Leben beschützen. Du fühlst doch, dass ich die Wahrheit sage. Ich habe
keine andere Wahl, als für deine Sicherheit zu sorgen.
Plötzlich nahm Julian eine
Bedrohung wahr. Es handelte sich um telepathische Wellen, die ein mächtiger
Jäger aussandte, um seine Beute zu finden. Julian lächelte innerlich. Darius
war ein sehr gefährlicher Mann, der nicht nur über viel Erfahrung, sondern auch
über einen eisernen Willen verfügte. Da Desaris Geist im Augenblick ganz mit
Julians verschmolzen war, konnte ihr Bruder sie nicht entdecken. Dennoch
stellte Darius einen ernst zu nehmenden Gegner dar, dessen Arroganz nicht so
weit ging, seinen Feind zu unterschätzen. Er wusste, dass Julian ihm ebenbürtig
war.
Die Wellen der telepathischen
Suche verebbten, und die Nachtluft war wieder still und frisch. Dann schlug
Darius erneut ohne Vorwarnung zu. Julian spürte den stechenden Schmerz in
seinem Kopf. Auch Desari litt darunter, das wusste er. Er hörte ihren
erstickten Aufschrei, schirmte sie jedoch sofort von der Wirkung der telepathischen
Schallwellen ab.
Fremder, höre mich an. Ich bin
sicher, dass du meine Macht spürst, und du weißt, wer ich bin. Wenn du Desari
etwas antust, wird es keinen Ort auf der Welt geben, an dem du dich vor mir
versteckten kannst. Ich werde dich finden und einen langsamen, qualvollen Tod
sterben lassen. Die Stimme drang auf allen erdenklichen telepathischen
Kanälen zu Julian vor, damit er die Nachricht unter allen Umständen hörte und
verstand.
Darius Fähigkeiten versetzten
Julian in Erstaunen. Er schien genauso geschickt und gefährlich zu sein wie
Gregori. Vielleicht verfügte er nicht über Gregoris elegante Leichtigkeit - er
schien etwas rauer und direkter zu sein -, doch an seiner Macht bestand kein
Zweifel. Nur wenige Karpatianer wären dazu im Stande gewesen, Julian auf
telepathischem Wege solche Schmerzen zuzufügen, ohne je Blut mit ihm
ausgetauscht zu
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