Dunkle Sehnsucht des Verlangens
Desari glaubte, über ihr eigenes Schicksal bestimmen zu können und
die freie Wahl zu haben, aber Julian wusste es besser. Sie gehörte zu ihm, war
ein Teil von ihm geworden. Nicht einmal Darius konnte an dieser Tatsache etwas
ändern, ohne sie zu zerstören. Und selbst wenn Julians Ehrgefühl ihn mahnte,
Desari freizugeben, damit sie nicht mit den Konsequenzen seiner Jugendsünde
leben musste, war es nun zu spät. Schon bei ihrer ersten, überwältigenden
Begegnung hatte er Desari an sich gebunden. Es war vollbracht.
Leise seufzend hielt Julian
seine Gefährtin in den Armen. »Darius ist Karpatianer, und in euren Adern
fließt dasselbe Blut. Ihm soll kein Leid geschehen. Wenn es nötig ist, dass wir
bei ihm bleiben und auf ihn achten, dann werden wir es tun.«
Julian war offenbar davon
überzeugt, ihr einen großen Gefallen zu tun. Doch dem war nicht so, das wusste
Desari. Darius würde ihn nicht so einfach in den Familienkreis aufnehmen. Und
Dayan und Barack würden ebenfalls nicht daran denken. Die Männer ihrer Familie
waren, gelinde gesagt, schwierig. Viele Jahrhunderte lang hatten sie sich
aufeinander verlassen und waren unter sich geblieben. Sie würden keinen
Fremden in ihrer Mitte dulden.
Kapitel 5
Desari hob den Kopf von Julians
warmer, verlockender Brust und sah ihn traurig an. »Ich weiß, dass du mich
nicht verstehen kannst, aber ich muss zu meiner Familie zurückkehren. Mein
Bruder hat so viel für mich getan, da darf ich mich nicht so unverantwortlich
und selbstsüchtig verhalten.«
Sie rechnete mit Julians
Protest, und ihre Hand, die auf seinem Herzen ruhte, zitterte leicht. Doch er
sah sie nur eindringlich an. Sein quälender Hunger, das intensive Verlangen
nach ihr, nahmen Desari den Atem. Wie konnte ein Mann sie so sehr brauchen? Er
offenbarte ihr seine Sehnsucht offen und ohne Scheu, obwohl er sich damit ganz
in ihre Hand begab. Und wie sollte sie sich ihm verweigern? »Julian«, flüsterte
sie sehnsüchtig. Desari litt unter ihrer inneren Zerrissenheit, denn sie stand
zwischen zwei starken Männern, denen gegenüber sie sich loyal verhalten
wollte, obwohl sie diesen Wunsch bei einem der beiden nicht verstand.
»Uns bleiben noch einige Stunden
bis zum Morgengrauen, cara. Wenn du darauf bestehst, zu Darius zurückzukehren,
werden wir es tun.« Julians Stimme klang sanft und unendlich verführerisch.
Mochten sich seine Worte auch vernünftig anhören, so lag in seiner Stimme und
in der Wärme seines Körpers trotzdem das verlockende Versprechen sehr
unvernünftiger Handlungen.
»Julian, du musst damit aufhören, mich so anzusehen«, sagte Desari, die
kaum noch Atem holen konnte. Verzweifelt versuchte sie, den Blick von ihm
abzuwenden. »Ich kann nicht klar denken, wenn du mich so ansiehst.«
Zärtlich streichelte Julian ihr
seidiges Haar und rieb einige Strähnen zwischen Daumen und Zeigefinger, ohne
sich dessen bewusst zu sein. »Bist du schon immer Sängerin gewesen?«
Sein Tonfall drückte ehrliche
Bewunderung und deutliche Erregung aus. Desaris Herz schlug schneller. Julians
sanfte Stimme mit dem leichten italienischen Akzent entwaffnete sie immer
wieder. Außerdem brachte seine Frage sie völlig durcheinander. Zwar klangen die
Worte harmlos, doch irgendwie schaffte er es dennoch, sie wie eine erotische
Versuchung klingen zu lassen. »Ja. Alle fünfundzwanzig Jahre zogen wir auf
einen anderen Kontinent, damit das Publikum nicht bemerkte, dass wir nie
alterten.« Julian ließ ihr Haar los und strich ihr leicht über die Schulter.
Der Stoff ihres T-Shirts war so dünn, dass Desari glaubte, seine Haut auf ihrer
zu spüren. Sie vergaß, was sie gerade hatte sagen wollen, und verstummte.
Julian beugte sich beruhigend
über sie. »Bitte erzähl mir mehr. Eure Geschichte ist sehr interessant. Ich
habe immer nach anderen Karpatianern gesucht, jedoch schon vor langer Zeit die
Hoffnung aufgegeben. Es ist erstaunlich, dass ihr ganz auf euch gestellt
überlebt habt.« Mit den Fingerspitzen fuhr er über den bestickten
Halsausschnitt ihres T-Shirts.
Desari schluckte schwer. Julians
Berührung schien eine flammende Spur auf ihrer Haut zu hinterlassen. Sie sah
ihn an, um ihn zurechtzuweisen, doch er wirkte ernsthaft interessiert. Nur in
seinen Augen flackerte ein Feuer, das Desari zu verschlingen drohte.
»Ich weiß nicht mehr, was ich
sagen wollte«, gab sie schließlich zu, und ihre rauchige Stimme klang wie eine
Einladung.
Ohne sie zu berühren, kam Julian
ihr näher, sodass sie seine
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