Dunkle Sehnsucht des Verlangens
ihm zu verlangen, dass er auch die ihre teilte. Offenbar
hatte Desari andere Vorstellungen.
Bewusst wandte sich Julian von
Darius ab, während er sich bemühte, den unerwarteten Wutausbruch unter Kontrolle
zu bringen. Er musste eine Zeit lang allein sein, um über alles nachzudenken.
Offenbar handelte es sich bei Desari nicht um ein junges Mädchen, das sich
willig von ihrem Gefährten führen ließ. Sie hatte bereits ein langes Leben
hinter sich, hatte sich viele Fähigkeiten angeeignet und war daran gewöhnt,
ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Außerdem gebührte ihr ein gewisses Maß
an Respekt. Julian nahm Kurs auf die Berggipfel. Nur hier empfand er so etwas
wie inneren Frieden. Er würde an diesem Ort bleiben und über die Situation
nachdenken.
»Du gehörst zu uns«, hatte der Untote gesagt. Eine
schreckliche Wahrheit. Wie hatte er sich nur einbilden können, dass er in der
Lage sein würde, eine Gefährtin zu finden und das Leben eines aufrechten,
ehrenhaften Kar- patianers zu führen? Zweifellos kannten Mikhail, der Prinz der
Karpatianer, und Gregori die Wahrheit bereits seit langem. Und vermutlich
spürte selbst Darius, dass mit Julian etwas nicht stimmte. Schlimmer noch, über
kurz oder lang würde Desari das Wissen ihres Bruders teilen, dies wurde Julian
plötzlich bewusst. »Du gehörst zu uns.«
Langsam ging Desari über den
Campingplatz, den Dayan ausgesucht hatte. Sie hatten ihr Lager in der Nähe von
Sterblichen aufgeschlagen, sich jedoch vor ihren neugierigen Blicken
geschützt. Dennoch empfand Desari eine eigenartige Unruhe. Immer wieder ging
sie nervös auf und ab, bis Dayan sie schließlich dazu aufforderte, endlich
stehen zu bleiben, ehe sie einen neuen Trampelpfad auf dem Campingplatz
anlegte. Zuerst hatte Desari geglaubt, dass sie sich über Julian ärgerte, weil
er sie wie ein kleines Kind ins Bett geschickt hatte. Doch sie ärgerte sich
eigentlich über sich selbst, weil sie seinem Befehl nicht hatte widerstehen können.
Ach, Desari wusste einfach nicht mehr, was sie noch glauben sollte. Ihre Gedanken
verwirrten sich, und sie versuchte immer wieder, Julian zu finden. Das allein
war beunruhigend genug.
Vielleicht sollte sie Nahrung zu
sich nehmen. Nein, erst musste sie Julian finden!
Leise fluchend ging Desari zum
Picknicktisch hinüber. Forest, der männliche Leopard, der immer mit ihnen
reiste, hatte sich auf dem Tisch ausgestreckt. Desari versetzte ihm einen
gereizten Schubs. »Runter mit dir.«
Die Raubkatze verzog zwar
verächtlich das Maul, rührte sich jedoch nicht. Dayan wandte sich um und sah
Desari erstaunt an. »Was ist denn mit dir los?«
»Alles. Nichts. Ich weiß es
nicht. In diesem Monat ist der Bus nun schon viermal zusammengebrochen. Barack
hat einfach keine Ahnung von Autos, obwohl er ständig am Bus herumbastelt. Ihr
wollt keinen neuen kaufen, und ich sage euch ständig, dass wir entweder lernen
müssen, wie man Motoren repariert, oder einen Mechaniker anstellen sollten. Es
ist schließlich nicht so, als könnten wir uns keinen leisten.« Wieder begann
Desari, auf und ab zu gehen. Sie konnte einfach nicht still bleiben.
»Die Katzen würden niemals einen
Menschen in unserer Nähe dulden«, wandte Darius ein, der plötzlich neben dem
Tisch auftauchte. Er streckte die Hand aus und verscheuchte das
Leopardenmännchen von seinen Ruheplatz.
»Sie werden sich wohl damit
abfinden müssen«, erwiderte Desari gereizt. Sie warf ihrem Bruder einen kurzen
Blick zu und sah sich dann suchend am Himmel und in den Wäldern um. Wo war
Julian? Wo bist du? Die Worte entschlüpften ihr, ehe sie sich zurückhalten konnte. Doch
ihre verzweifelte Suche nach der telepathischen Verbindung wurde nur von
Schweigen beantwortet. Desaris Unruhe wuchs. Warum machte es ihr überhaupt so
viel aus? Was bedeutete Julian ihr denn schon? Er war ihr
Geliebter. Andere Frauen und
Männer wechselten ihre Geliebten ständig. Barack war einige Jahrhunderte lang
das beste Beispiel dafür gewesen. Mit aller Macht riss sich Desari aus ihren
Überlegungen. Sie konnte jetzt nicht darüber nachdenken, wo Julian war und wie
es ihm ging.
»Dara, beruhige dich«, bat
Darius sanft. »Dein augenblicklicher Zustand hat nichts mit unserem Bus zu
tun.«
»Bilde dir nicht ein, etwas von
meinem Zustand zu verstehen«, entgegnete sie ärgerlich. »Wir brauchen einen
neuen Bus, das habe ich euch allen immer wieder gesagt. Selbst mit dem
Lastwagen gibt es ständig Pannen. Will denn niemand etwas dagegen
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