Dunkle Symphonie der Liebe
Josef ist eine
Landplage, weil er maßlos verwöhnt wurde. Kannst du dir zehn von seiner Sorte
vorstellen, die barfuß im Palazzo herumrennen, die Mauern hinaufkriechen und.
Wasserspeier zum Leben erwecken? Rappen ? Was tust du mir bloß an ?
Ich kann mir zehn Kinder
überhaupt nicht vorstellen, schon gar nicht zehn Josefs. Und sie werden Opern
singen. Warum hin ich auf einmal verantwortlich?
Du bist auf die Bühne getreten
und hast dabei so schön und tapfer ausgesehen, dass du mir mein Herz gestohlen
hast.
Antonietta brach in Gelächter
aus. Plötzlich herrschte Stille im Raum. »Tut mir leid, ich weiß, dass wir über
ernste Dinge sprechen. Ich habe bloß ...« Sie verstummte und versetzte Byron im
Geist einen Tritt ans Schienbein.
Das eigenartige Phänomen, dass
Gegenstände in ihr Blickfeld flogen, hatte nachgelassen. Mittlerweile konnte
sie durch die schweren, dunklen Gläser sehen, wenn sie den Kopf ga nz stillhielt. Da sie es leid war,
die Augen geschlossen zu lassen, und darauf brannte, ihre Familienmitglieder zu
sehen, starrte sie auf die Stelle, wo Paul liegen musste, und hob ihre Wimpern.
»Irgendjemand in unserem Haus
stiehlt«, wiederholte Paul. »Die Polizei weiß es, Interpol weiß es, und niemand
außer einem Familienmitglied würde den Weg durch den Geheim- gang kennen. Wer
soll es sonst sein, wenn nicht Justine?«
Antoniettas Herz machte einen
seltsamen kleinen Satz, als Pauls Gesicht sich plötzlich nicht mehr bewegte.
Das verschwommene Bild wurde klarer. Sie starrte ihren Cousin an. »Paul.« Sie
hauchte seinen Namen. Streckte eine Hand aus, um die Haare zurückzustreichen,
die ihm in die Stirn gefallen waren. Tränen brannten unter ihren Lidern. Er sieht genauso aus, wie
ich meinen Vater in Erinnerung habe. Sag mir, wo Tasha ist. Sie ist so ruhig,
dass ich sie nicht ausmachen kann.
Byron trat näher und legte
einen Arm um ihre Schultern. »Wir wissen nicht, wer es sein könnte, Paul, aber
wir glauben Ihnen. Wenn es jemand ist, der hier im Haus lebt, sollte es nicht
allzu schwierig sein herauszufinden, wer es ist.« Tasha ist links von dir. Dann beschrieb er Antonietta,
auf welcher Höhe sich Tashas Gesicht befand.
Mit klopfendem Herzen schloss
Antonietta die Augen und wandte vorsichtig den Kopf in Tashas Richtung.
Hilfesuchend lehnte sie sich an Byron, bevor sie die Augen öffnete. Einen
Moment lang sah sie Tasha undeutlich und leicht verzerrt vor sich. Antonietta
gab nicht auf, sondern zwang ihr Gehirn, Verbindung zu ihren Augen
aufzunehmen. Tasha starrte sie an. Antonietta konnte einen kleinen
Freudenschrei nicht unterdrücken.
Tashas Augen weiteten sich vor
Schreck. »Du kannst sehen! Dio, Toni! Du kannst mich sehen! Das ist doch nicht
möglich. Wie kann das sein?«
Antonietta brach in Tränen aus.
Tasha fing im selben Moment an zu weinen. Byron warf Paul einen hilflosen
Blick zu.
»Ist das wahr?«, fragte Paul,
während seine Schwester und seine Cousine einander umarmten. »Das waren Sie,
stimmt's, Byron? Sie sind wie Antonietta. Sie besitzen die Gabe des Heilens.«
»Antonietta muss sich vor Licht
und Bewegung in Acht nehmen, aber wir hoffen, dass es allmählich besser wird.
Die meiste Zeit lässt sie die Augen zu, damit ihr nicht schlecht wird«,
erklärte Byron.
»Habt ihr es Nonno schon
gesagt?« Paul stellte die unvermeidliche Frage.
Bevor Byron antworten konnte,
warf Tasha beide Arme um ihn. »Es ist mir egal, ob Sie mir eine Todesangst
machen. Grazie! Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich gehofft habe, wir könnten
irgendeine Möglichkeit finden, Tonis Sehkraft wiederherzustellen. All unser
Geld schien manchmal völlig nutzlos zu sein. Sie war immer so geduldig, aber es
kam so oft vor, dass sie ein bestimmtes Buch haben wollte und es nicht sofort
bekommen konnte ... Sie musste auf so viele Dinge verzichten. Grazie, Byron!«
Er konnte die aufrichtige Liebe
und Dankbarkeit spüren, die von Tasha ausgingen, und fühlte sich leicht
beschämt. Antoniettas verwandtschaftliche Beziehungen waren sehr komplex,
nicht einfach schwarz und weiß, wie seine Welt so lange Zeit gewesen war. Er
dachte nur in Begriffen wie Freund oder Feind. Aber es gab viel mehr als das.
Tasha und Paul strahlten eine solche Freude darüber aus, dass Antonietta
vielleicht wieder sehen können würde, dass Byron sich fragte, wie er je einen
von ihnen hatte verdächtigen können, ihren Tod zu planen. Trotzdem musste er
sich völlig sicher sein. Er konnte es sich nicht leisten, auch nur
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