Dunkle Symphonie der Liebe
Indem
Byron seine Gestalt in feine Wasser Tröpfchen zerfließen ließ, strömte er aus
dem Irrgarten hinaus in Richtung Palazzo.
Er kreiste um die Türme und
Zinnen, schlüpfte an den geflügelten Kreaturen der Wasserspeier vorbei und
drang durch ein Fenster im ersten Stock, das fast immer ein paar Zentimeter
offen stand, in das Gebäude ein. Weit unter sich erhaschte er einen flüchtigen
Blick auf etwas, das sich auf dem schmalen, gewundenen Pfad bewegte, der den
Berg hinaufführte, weg vom Palazzo und von der Stadt. Normalerweise hätte er
nicht weiter darauf geachtet, aber es war etwas Verstohlenes an der Art, wie
Marita, Franco Searlettis Frau, den Pfad entlanghuschte. Sie hielt sich bewusst
im Schatten der Bäume, statt mitten auf dem Weg zu gehen. Ihm war klar, dass
sie nicht wollte, dass jemand im Palazzo sie sah.
Byron kehrte um, indem er sich
fast träge von den Wolken tragen ließ. Er ließ die Frau, die immer wieder kurz
aus dem Schatten trat, um dann unter dem nächsten Baum zu verschwinden, keine
Sekunde aus den Augen. Ihm fiel auf, dass sie ständig nervös nach rechts und
nach links blickte und sich leicht gebückt hielt. In einer Hand trug sie ein
kleines Päckchen, das in braunes Papier eingeschlagen und mit einer Schnur
umwickelt war. Sie nahm den schmalen Pfad, der sich steil nach oben wand und
immer weiter von der Stadt und den Klippen wegführte.
Plötzlich fing Byron den Geruch
der Katze auf, einen wilden, scharfen und bösartigen Geruch. Seine träge
Haltung war schlagartig verschwunden. Wachsam zog er seine Kreise und bewegte
sich dabei stetig auf die kleine Baumgruppe in der Nähe der Hügelkuppe zu.
Ganze Reihen von Bäumen standen hier am Hang. Byron glitt an den Stämmen
vorbei. An dieser Stelle war der Geruch besonders ausgeprägt. Eine große
Raubkatze hatte einige Zeit damit verbracht, sich an der Baumrinde zu reiben
und sich auf den Ästen auszustrecken. Der Wind schlug um und wehte Byron
entgegen, brachte den
Geruch von frischem Blut mit
sich. Der metallische Geruch hing in der Luft und stieg mit dem Wind auf.
Marita schrie auf. Der gellende
Laut ließ die Vögel von ihren nächtlichen Ruheplätzen hochschrecken, sodass
einen Moment lang hektisches Flügelflattern zu hören war. Fledermäuse flitzten
durch die Luft und führten ihre akrobatischen Kunststücke vor. Byron nahm ihre
Gestalt an, mischte sich unter sie und machte Jagd auf die Katze. Er wusste,
dass sie ihn gewittert hatte. Wusste, dass auch sie auf der Jagd war.
Maritas Schrei brach so abrupt
ab, dass Byron von seiner Suche abließ und umkehrte, um sich davon zu
überzeugen, dass sie nicht angegriffen wurde. Sie lag regungslos auf dem Boden.
Die Blätter an den Bäumen waren mit einer glänzenden, dunklen Masse
beschmiert. Sie tropfte von den Bäumen herab, direkt neben Marita.
Byron setzte auf dem Boden auf,
wobei er darauf achtete, leicht und behutsam zu landen, da er keine Fußspuren
hinterlassen wollte. In der Astgabel eines Baums hing der zerschun- dene,
blutige Körper eines Mannes wie ein Stück Fleisch. Im Mondlicht konnte man
erkennen, dass der Rumpf schwarz von Blut war. Marita lag unter dem Baum. Byron
bückte sich, um nachzuschauen, ob sie verletzt war. Sie schien frei atmen zu
können. Das Päckchen war aus ihrer schlaffen Hand gerutscht, und Byron steckte
es ohne Gewissensbisse in seine Jackentasche.
Das Letzte, was er wollte, war,
die Frau nach Art der Menschen den Hügel hinunterzutragen und wertvolle Zeit
damit zu verschwenden, hysterische Anfälle zu besänftigen. Marita war imstande,
den ganzen Palazzo und die nahe gelegene Stadt in Panik zu versetzen. Byron
untersuchte das Opfer. Der Mann schien Ende vierzig zu sein. Er hatte sein Ende
kommen sehen und war eines qualvollen Todes gestorben. Ein wildes Tier hatte
ihn aufgeschlitzt und zum Teil verschlungen. Der Tod musste ungefähr eine
Stunde zuvor eingetreten sein. Marita war in eine Blutlache getreten,
ausgerutscht und in eine weitere Lache gefallen. Offensichtlich war der Schock
zu viel für sie gewesen.
Die Katze war nahe gewesen,
sehr nahe, und sie hatte gewittert, dass sich ein anderes Raubtier näherte.
Jetzt war sie verschwunden. Byron hätte sie verfolgen können, aber er konnte
Marita nicht einfach hier in all dem Blut liegen lassen. Mit einem kleinen
Seufzer hob er sie hoch und machte sich auf den Rückweg.
Fast im selben Moment begann
Marita sich zu rühren und ängstlich zu stöhnen. Byron setzte sie hastig auf den
Boden, trat
Weitere Kostenlose Bücher