Dunkle Symphonie der Liebe
einen Schritt zurück und wartete. Sie schlug kurz mit den Armen um
sich, richtete sich kerzengerade auf, starrte auf ihre blutverschmierten Sachen
und stieß einen schrillen Schrei aus. Byron wartete, aber sie hörte nicht auf
zu schreien. Ihre Augen verdrehten sich nach hinten, und sie sackte wieder in
sich zusammen.
»Marita!« Seine Stimme war
scharf und mit einem bewussten Zwang unterlegt. »Sie sind hier bei mir in
Sicherheit. Niemand kann Ihnen etwas tun.«
Sie blinzelte mehrmals
hintereinander und fuchtelte mit den Händen. »Haben Sie das gesehen? Die
Leiche? Es war grauenhaft!« Sie erschauerte. »Einfach grauenhaft.«
»Erlauben Sie mir, Sie nach
Hause zu begleiten, damit wir die Behörden verständigen können.« Er streckte
eine Hand aus, um ihr aufzuhelfen.
Marita beugte sich dem Zwang,
den seine Stimme auf sie ausübte, und legte ihre Hand in seine.
»Was machen Sie so spät am
Abend hier oben, soweit vom Palazzo entfernt?« Jetzt klang seine Stimme
betörend schön, verströmte einen reinen Klang, der darauf abzielte, sie zu beruhigen
und ihr Vertrauen einzuflößen.
Marita runzelte die Stirn und
versuchte Widerstand zu leisten, schaffte es aber nicht. »Ich wollte mich mit
jemandem treffen«, gestand sie. »Mit einem Mann.«
»Ein Liebhaber?«
»Ja. Nein. Dio, Sie dürfen es keinem sagen!
Sie dürfen es keinem sagen!« Sie brach in wildes Schluchzen aus und presste
eine Hand an ihr Herz. Blind vor Tränen sank sie in sich zusammen und verbarg
ihr Gesicht in den Händen.
Byron, der die Geduld verlor,
schaltete ihr Bewusstsein aus und hob sie in seine Arme, um durch die Luft den
langen Weg zum Palazzo zurückzulegen. Er hatte genug von der heulenden Frau.
Er wollte Antonietta. Er wollte ihr Gesicht sehen, sie berühren und einfach
wissen, dass sie auf ihn wartete und sich genauso nach einem Wiedersehen sehnte
wie er
Kapitel
11
Byron brachte Marita bewusst
zum Haupteingang des Palazzos, ein großes Tor mit Doppelflügeln und
Marmorstufen. So spät am Abend war die Tür fest versperrt und verriegelt.
Byron betätigte lautstark den Türklopfer. Während er Marita stützte, flüsterte
er ihr den Befehl aufzuwachen ins Ohr und achtete darauf, ihr die Erinnerung an
einen langen, schnellen Marsch den Bergpfad hinunter ins Gedächtnis zu
pflanzen.
Helena öffnete die Tür. Sie
warf einen Blick auf die blutverschmierte Marita und stieß einen gellenden
Schrei aus. Zwei Dienstmädchen, die sich gerade auf den Heimweg machen wollten,
stimmten in das Geschrei ein, bis es durch das ganze Gebäude hallte. Marita brach
erneut in Tränen aus und klagte und jammerte laut genug, um Tote zu wecken. Sie
klammerte sich an Byron, als wollte sie ihn nie wieder loslassen, und hielt ihn
mitten in diesem Drama fest.
Antonietta! Gefährtin meines
Lebens! Rette mich! Ich kann diese Frauen und ihre Hysterie keine Sekunde
länger ertragen. Wo bist du ?
Sie war so ruhig und
gefasst wie immer. Wo warst du, als ich aufwachte und mein Bett leer
vorfand?
Byron seufzte. Der gesamte
Haushalt schien sich in ein Irrenhaus zu verwandeln. Helena zog Marita in die
Halle und redete so schnell auf sie ein, dass er kaum ein Wort verstehen
konnte. Einen kurzen Moment lang war er frei. Dann sackte Marita erneut in sich
zusammen, und Byron war so ritterlich, sie aufzufangen, bevor sie mit dem Kopf
auf dem kühlen Marmorboden aufschlug. Ich könnte ein bisschen Mitgefühl brauchen.
Was ist passiert?
Marita hat oben im Wäldchen
eine Leiche gefunden.
Eine Leiche ? Wie furchtbar! Es
überrascht mich nicht, dass sie sich so aufführt.
Der Mann ist schon eine Weile
tot. Es gibt nicht den geringsten Grund, hysterische Anfälle zu bekommen. Sie
hat schließlich nicht gesehen, wie ihm die Kehle aufgerissen wurde.
Ihm wurde die Kehle
aufgerissen? Arme Marita, kein Wunder, dass sie so durcheinander ist.
»Durcheinander« ist nicht das
Wort, das ich gewählt hätte. Und was ist mit mir? Ich bin sehr sensibel, aber
denkst du etwa an meine Nerven, wenn sie so kreischt?
Sensibel? Eine Leiche in
unserem Wäldchen, und du reagierst so kühl?
Antonietta. Leichter Tadel schwang in
seiner Stimme mit. Anscheinend amüsierte sie sich auf seine Kosten.
War es Enrico ? Er ist immer
noch nicht aufgetaucht.
Byron machte eine kurze Pause.
Antonietta klang jetzt ziemlich entsetzt. Er konnte nicht noch eine hysterische
Frau brauchen, die zusammen mit den anderen kreischte und tobte.
Ich werde nicht hysterisch. Ein Herzschlag.
Zwei. Nie!
Sie war
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