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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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verhältst, wie es dir zukommt!“ Er nahm seine Ledertasche und begab sich zur Tür.
    Diana verschränkte die Arme vor der Brust, um ihr Zittern unter Kontrolle zu bekommen. „Ich werde die Wahrheit herausfinden“, sagte sie.
    „Ich habe keine Zeit, mich mit Albernheiten abzugeben, ich muss ins Werk.“ Mit diesen Worten ließ er sie stehen und ging hinaus.
    „Kind, reg ihn doch nicht immer so auf“, meinte Käte begütigend.
    „Er regt mich auf, nicht ich ihn!“
    „Es ist viel leichter, wenn du ihm nicht widersprichst.“
    „Warum sollte ich zu einer ungerechten Bemerkung auch noch nicken? Nur damit Onkel Hermann weiter von seiner Unfehlbarkeit überzeugt ist? Meine Mutter und mein Vater waren in der Tat anders, sie haben mich weder zu Verlogenheit noch zu Arroganz erzogen.“ Sie blinzelte wütend eine Träne fort, die sich in ihr Auge stahl.
    Käte bemerkte es und machte eine unwillkürliche Bewegung, als wolle sie ihre Nichte in die Arme nehmen, unterließ es dann aber. „Wenn du unbedingt Fragen stellen musst, dann frag eben mich.“
    Natürlich war dieses Angebot nur als Trost gemeint, aber was spielte das für eine Rolle? Diana packte die Gelegenheit beim Schopf. „Was hast du dem Kommissar erzählt?“
    „Er wollte alles über gestern wissen. Ich habe ihm gesagt, dass nichts Außergewöhnliches vorgefallen ist.“
    „Und – ist das die Wahrheit?“
    „Natürlich! Also weißt du!“
    „Schon gut. Und weiter?“
    „Was den Abend betrifft, konnte ich auch kaum helfen. Max hat sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und gearbeitet.“
    „Hast du dem Kommissar erzählt, dass er Friedrich zu sich zitiert hat, um ihm die Leviten zu lesen?“
    „Ich hätte es gern vermieden, vor Fremden schmutzige Wäsche zu waschen, aber das ganze Haus weiß ja davon. Es schien mir besser, die Dinge ins rechte Lot zu rücken, statt dass die Polizei alles verdreht von Elsa oder Joseph erfährt.“
    „War Friedrich eigentlich wütend, als er von dem Gespräch zurückkam?“
    „Das weiß ich wirklich nicht. Ich bin ihm an diesem Abend nicht mehr begegnet.“
    „Was ist mit dir und Onkel Hermann? Wann habt ihr Onkel Max zum letzten Mal gesehen?“
    Käte schloss gequält die Augen und rieb sich die Schläfen. „Musst du so darüber reden?“
    „Wie denn?“
    „Na, so … direkt. Versuch doch wenigstens, ein bisschen Takt aufzubringen.“
    Diana verkniff sich eine Erwiderung. Hätte ihre Tante dem Toten nahegestanden, wäre ihre Haltung vielleicht nachvollziehbar gewesen. So jedoch war die Bemerkung lediglich Ausdruck einer antiquierten Vorstellung von Schicklichkeit. „Also?“
    „Keiner von uns hat ihn nach dem Abendessen noch zu Gesicht bekommen.“ Käte erhob sich. „Jetzt muss ich aber los, es gibt so viele Vorbereitungen zu treffen: die Beerdigung, die Trauerfeier …“ Fluchtartig verließ sie das Zimmer.
    Diana blickte ihr sinnend nach. Warum hatte ihre Tante bei der letzten Antwort den Blickkontakt vermieden? Verheimlichte sie etwas? Ganz bestimmt. Aber was?
    Sie schlug mit den Fingern einen Takt auf der Tischkante. Where’s that Tiger ?, summte sie in Gedanken. Hold that Tiger! Sie würde schon herausfinden, wer für das Verbrechen an ihrem Onkel verantwortlich war!
    Die Geräusche des Unger’schen Anwesens wirkten seltsam gedämpft, fand sie. Seit der Tod eingezogen war, hatte sich die bedrückende Atmosphäre noch verstärkt. Eine Art Atemnot lag über allem, als hielte das Haus die Luft an, bis das Unwetter weiterzog. Als liefere das rigorose Beharren auf Etikette eine Garantie dafür, dass die Normalität zurückkehren würde. Diana war fest entschlossen, von hier fortzugehen. Nicht einen Tag länger als nötig würde sie Hermanns Bevormundung ertragen.
    Aber würde sie das auch schaffen? Konnte sie die Unmenge an Aufgaben bewältigen, die auf sie zukam, wenn sie ihr Leben in die eigenen Hände nahm: eine Unterkunft besorgen, Überblick über ihre finanziellen Verhältnisse gewinnen, Geld verdienen – Dinge, über die sie bislang nie hatte nachdenken müssen?
    Mit einem Mal kam sie sich wie ein kleines Kind vor, das in der Wildnis ausgesetzt wurde. Für den Bruchteil einer Sekunde fühlte sie sich versucht, sich bei ihrem Onkel zu entschuldigen, nur um weiter in der Sicherheit der Familie leben zu dürfen. Dann gewann der Zorn die Oberhand. Wovor fürchtete sie sich? Hatte sie nicht oft genug bewiesen, dass sie selbstständig für sich sorgen konnte? Sie war nicht reich, aber sie besaß

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