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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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Schlafstätte mit dem Kranken teilte, ohne Rücksicht auf mögliche Ansteckung.
    Eine einstmals kräftige Frau mit widerspenstigem schwarzem Haar, das sie mit einem Band zusammengebunden hatte, saß an einer Nähmaschine und nähte Blusen und Hemden. Sie war Curts Frau, Barbara Broscheck. Hendrik vermutete sie noch diesseits der vierzig, obwohl Not und Entbehrungen ihrem Körper zugesetzt hatten und ihr Alter deshalb unmöglich zu schätzen war. Ihre Haut war brüchig und zeigte durch seine Blässe die typischen Symptome von Blutarmut.
    Ein etwa achtjähriger Junge – Anton –, dessen Kleidung aus zusammengeflickten Lumpen bestand, half ihr bei der Arbeit und nähte Knöpfe an. Trotz seines verwahrlosten Äußeren war er der Einzige, in dessen Augen Leben glomm, ein Feuer, das trotz der widrigen Lebensumstände einfach nicht ausgehen wollte.
    Schließlich gab es noch Emil Voigt, einen 27-jährigen Handwerker, der als Kostgänger bei den Broschecks wohnte.
    „Sie sind Curt Broscheck, Fabrikarbeiter bei Unger?“, fragte Gregor.
    Widerstrebend, als käme dies dem Eingeständnis eines Verbrechens gleich, nickte der Mann.
    Gregor ließ sich die anderen Personen im Raum vorstellen und erkundigte sich, als Antons Name fiel: „Ihr einziges Kind?“
    „Helene arbeitet auf’m Bauernhof.“ Curt Broschecks rasselnder Atem verriet, dass er asthmakrank war. „Wir hatten noch einen Sohn. Is’ mit fünf gestorben. Schwindsucht.“
    Hendrik stand unbeholfen in der Mitte des Zimmers und versuchte, dem Gespräch zu folgen, ohne dabei auf einen Gegenstand zu treten. Außerdem war die Wohnung eisig. Fröstelnd rieb er sich die Schultern.
    „Wir ham keine Kohlen“, entschuldigte sich Frau Broscheck.
    Die Bemerkung schien ihren Mann zu ärgern. „Kohlen sind überall rar“, sagte er angriffslustig.
    „Sie leben schon lange hier, in dieser Wohnung?“, erkundigte sich Gregor.
    „Acht Jahre.“
    „Wie ich hörte, sollen sie vor die Tür gesetzt werden.“
    „Was soll’n die Fragen? Was geht Sie das Ganze an?“
    „Max Unger – der Eigentümer dieses Hauses – wurde gestern Nacht ermordet.“
    Barbara Broscheck grub ihre Finger in die Nähmaschinenplatte, bis die Knöchel weiß hervortraten. „Wie …?“, hauchte sie.
    „Mit einem Küchenmesser.“ Gregor blieb mit seiner Aufmerksamkeit bei ihrem Mann. „Entspricht es den Tatsachen, dass Sie auf die Straße gesetzt werden sollen?“
    „Wir ham nix damit zu tun!“
    „Beantworten Sie meine Frage!“
    „Wir hätten uns die Miete schon zusamm’geborgt. Es ist nich’ das erste Mal, dass das Schwein uns rauswerfen wollte.“
    „Curt!“, rief seine Frau entsetzt.
    „Was soll ich lügen?“, erwiderte er unwirsch. „Max Unger war’n Dreckskerl übelster Sorte. Das weiß jeder, der mit ihm zu tun hatte. Deswegen sind wir noch lange keine Mörder nich’.“
    „Ich möchte gern wissen, wo Sie sich gestern Nacht zwischen sieben und Mitternacht aufgehalten haben.“
    „Hier, zu Hause.“
    „Die ganze Zeit?“
    „Vorher hab’ ich noch’n Spaziergang gemacht, um dem Gestank zu entkomm’.“
    „Wo?“
    „Die Hermannstraße ’runter.“
    „Hat Sie jemand gesehen?“
    Der Arbeiter zuckte die Achseln.
    Gregor drehte sich zu Barbara Broscheck um, die ihn wie hypnotisiert anstarrte. „Und Sie?“
    „Sie war die ganze Zeit mit mir zusamm’“, sagte ihr Mann.
    Für eine Sekunde trat ein Ausdruck von Überraschung auf ihr Gesicht.
    „Sie waren also nicht mit Herrn Unger verabredet?“
    „Glauben Sie, der macht mit Leuten wie uns Verabredungen?“
    „Ich glaube vor allem, dass ich allmählich ärgerlich werde, wenn Sie jede Frage mit einer Gegenfrage beantworten.“
    „Nein, wir hatten keine Verabredung.“
    Der alte Mann im Bett röchelte und bekam einen Hustenanfall, der zu blutigem Auswurf führte. Er spuckte in ein Taschentuch, das eher Ansteckungsherd als Hilfe darstellte, und konnte nur mühsam einen Würgereiz unterdrücken.
    Gregor ging zu ihm hinüber. „Können Sie bestätigen, dass Ihr Sohn und Ihre Schwiegertochter den Abend über zu Hause waren?“
    „Für mich is’ ein Tag wie der andere“, erklärte der Alte matt. „Was weiß ich, wie spät es is’. Ich schlaf’ doch sowieso die ganze Zeit.“
    Gregor nickte und behelligte den Kranken nicht weiter mit Fragen. Stattdessen wandte er sich dem Kostgänger zu, der das Geschehen aufmerksam verfolgte. „Woher haben Sie das?“, erkundigte er sich und deutete auf die Hand des Mannes, die mit

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