Dunkle Tage
verflixt ähnlich sah.
„Sie tun es, um Schlimmeres zu verhüten“, soufflierte sie ihm. „Ich denke nicht daran, die Hände in den Schoß zu legen, während mein Onkel bestialisch ermordet wurde und meine Familie unter Mordverdacht steht. Und weil Sie das wissen, haben Sie beschlossen, mir zu helfen, damit ich keine Dummheiten mache.“
„Jetzt, wo Sie es sagen, klingt das Ganze doch sehr einleuchtend“, erwiderte er, und dann mussten sie erneut lachen. „Sie sind eine Kratzbürste, aber Ihre Aufsässigkeit ist anregend. Eine gute Basis für eine Zusammenarbeit, denke ich. Für meinen Bruder sind Sie allerdings nach wie vor eine Verdächtige, und ich werde seine Meinung respektieren. Ich gebe keine Information weiter, die er mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit überlässt.“
„In Ordnung, das ist fair. Akzeptiert!“
Sie hielt ihm die Hand hin, er schlug ein. Dann machte er es sich auf dem Stuhl bequem und zückte Bleistiftstummel und Papier. „Wenn Sie wollen, dass wir zusammenarbeiten, dann sollten Sie jetzt die Karten auf den Tisch legen und mir erzählen, was am Mordtag in Ihrer Familie wirklich vor sich ging. Und ich meine damit nicht diese Halbwahrheiten, die wir uns gestern anhören mussten. Wie war das zum Beispiel mit den ständigen Streitigkeiten um die Führung der Firma?“
„Das Testament seines Vaters sprach das ursprüngliche Werk Onkel Max zu. Onkel Hermann bekleidete zwar einen hohen Posten, aber er besaß nichts und war in allem von seinem Bruder abhängig.“
„Eine schwierige Situation.“
„Besonders, weil sie sich über wichtige Entscheidungen nie einig waren. Onkel Max hatte ein ziemlich perfides System, um Onkel Hermann und Friedrich bei der Stange zu halten: Von Zeit zu Zeit versprach er ihnen die Überlassung bestimmter Teile der Firma oder eine Abfindungssumme, fand dann aber jedes Mal einen Grund, die Entscheidung hinauszuzögern. Irgendeine Krise, auf die man Rücksicht nehmen muss, lässt sich immer auftreiben.“
„Ein reizender Zeitgenosse.“
„Meine Mutter sagte, er war nicht immer so. Früher soll er liebenswürdig und großzügig gewesen sein.“
„Schwer vorstellbar.“
„Es war nicht leicht, mit ihm zusammenzuleben. Besonders für Tante Käte. Er hat sie ständig kritisiert, immer hatte er etwas an ihr auszusetzen. Aber sie ist selbst schuld daran. Nicht bloß, weil sie vor ihm gekuscht hat, sie hat ihn auch immer fühlen lassen, dass sie ihn für unfähig und ihren Mann für den Besseren hält.“
„Das bringt uns zurück zu Hermann Unger.“
„Er ist natürlich schnell dahintergekommen, was für ein Spiel Onkel Max spielt, und hat deswegen oft Krach angefangen. Trotzdem ist er geblieben. Das hat mich immer schon gewundert. Er ist nicht der Typ, der sich so was bieten lässt. Ich durchschaue ihn nicht. Niemand tut das.“
„Und Friedrich?“
„Lügt sich lieber selbst in die Tasche. Er hat es vorgezogen, Onkel Max’ fadenscheinigen Ausreden zu glauben.“
„Bei der Vernehmung fiel eine Bemerkung … etwas in der Art, dass Max ihm monatelang vorgeworfen hat, dass er auf einen Trick hereingefallen ist, oder so ähnlich.“
Diana hielt sich die Hand vor den Mund, um ein Lachen zu unterdrücken. „Wollen Sie ein typisches Beispiel für Friedrichs Geschäftstüchtigkeit? Der Vorfall hat sich vor ungefähr einem Jahr ereignet. Passen Sie auf: Ein Mann, der sich als russischer Emigrant ausgibt, fragt ihn nach dem Konsulat. Ein anderer Russe kommt dazu und bietet dem ersten billig Rubel an. Nachdem das Geschäft abgewickelt und der Verkäufer weitergegangen ist, macht der erste Russe Friedrich klar, dass er das Geschäft seines Lebens verpasst hat. Friedrich hinter dem anderen her. Der Mann sagt, er hat keine Rubel mehr, dafür aber billige Brillanten. Er führt ihn zu einem Juwelier, der ‚zufällig‘ vor seinem Laden steht, die Ware mit seiner Lupe prüft und den Wert schätzt. Muss ich erzählen, wie es weitergeht?“
„Wie hoch war der Verlust?“
„Friedrich hat wertloses Glas für 2.300 Mark gekauft.“
„Sein Bruder war nicht begeistert, was?“
„Ganz und gar nicht!“
„Verdächtigen Sie einen Ihrer Onkel?“
„Prinzipiell traue ich jedem aus meiner Familie den Mord zu. Schockiert Sie das? Es tut mir Leid, das sagen zu müssen, aber es ist so. Allerdings halte ich es für nicht sehr wahrscheinlich. Onkel Hermann würde so etwas einfach besser planen. Und Friedrich … ich mag ihn gern, aber ich mache mir über seinen
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