Dunkle Tage
aus dem Gesicht. „Entschuldigen Sie! Ich … ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Ich wollte nicht …“
„Nu’ mach dir ma keene Jedanken, Kindchen! Wir sind man alle bloß Menschen. Frach einfach, wat de willst.“
Na so was! Mit ihrem Gefühlsausbruch hatte sie erreicht, was ihr mit keiner professionellen Haltung gelungen wäre: Mathilde Selchows Vertrauen zu gewinnen. „Ja, ich … Sie wissen bereits, worum es geht, nehme ich an?“
„Der olle Unger is’ tot, und die Polizei vadächticht die Broschecks. Grund genug ham se jehabt, dem Raffke die Pest annen Hals zu wünschen, aber ick sage ihn: Die waren et nich’. Die Broschecks sind jute Leute.“
„Nein, nein, von verdächtigen kann keine Rede sein! Es gibt Hinweise, denen wir nachgehen, aber deswegen sind sie noch lange nicht verdächtig. Kennen Sie die Broschecks gut?“
„Det will ick meenen. Der Lütte, der Anton, det is’ een uffjeweckta Kerl. Manchmal trägta mir die Einkaufstasche hoch, se sehn ja, ick bin nich’ jrade in sportlicha Vafassung. ‚Fannkuchen‘ nennen mir die Kinda.“ Sie lachte meckernd. „Und die Helene, wat der ihre Tochter is’, die is’ ja nu’ beim Bauern arbeeten, aba wenn die im Haus war, war jleich ’ne janz andere Stimmung. Die konnte so wundaschön singen als wie eene von die Oper. Ick hab ihr jerne zujehört.“
Ihr Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck des Abscheus. „Der olle Lehmann von oben hat denn wieda wat zu stänkern jehabt, von wejen Ruhestörung und so. Der sollte sich man lieba an die eijene Neese fassen, so wie der säuft! Wenn dem seine Ferde den Heimwech nich’ von alleene finden würden, würda nachts irjendwo im Straßenjraben liejen und sein Rausch ausschlafen. Der is’ nämlich Lohnkutscha, weeßte!“
„Haben die Broschecks nur zwei Kinder?“, beeilte sich Diana zu fragen, ehe Frau Selchow weiter abschweifte.
„Sie hatten noch ’n kleenet Kind, ’n Jungen. Is’ vor zwee Jahre an Schwindsucht jestorben, det arme Wurm.“
„Und die Eltern selber? Was wissen Sie über die?“
„Die kommen ausm Hannoverschen. Sind ’n paar Jahre vorm Kriech herjezogen, wejen die Arbeet. Er malocht ja nu’ bei Unger inna Fabrik. ’ne Knochenarbeet, kommt imma janz zaschlagen nach Hause. Naja, und sie muss sehn, wie zusätzlich Jeld rankommt. Jute Leute. Sie ham ma oft jeholfen, mittem Handkarren Möbel vons Altenheim holen, wenn da wer jestorben war und die Vawandten der ihre Sachen nich’ ham wollten. Der Küchenschrank is’ von da.“
„Wissen Sie zufällig, was die Broschecks vorgestern Abend gemacht haben?“
„Ick jehe imma früh ins Bett.“
„Warum haben Sie gesagt, die Broschecks hätten Grund gehabt, Max Unger zu hassen?“
„Ihm jehört det Haus, Kindchen! Jemacht hatta nie wat dran, aba die Miete erhöhen, det konnta. Und er kannte keene Gnade nich’. Wenn eena ma spät dran war mit die Miete, jab’s sofort Ärja, und wenn denn imma noch keen Jeld da war, wurda uff die Straße jesetzt. Ejal, ob ’ne Frau schwanga oder een kleena Säugling dabei war oder so wat. Der war rijoros. Wo andere een Herz haben, hatte der ’ne Jauchejrube.“
Obwohl Diana nie ein sonderliches Verhältnis zu ihrem Onkel gehabt hatte, war es doch beklemmend, ein derart vernichtendes Urteil über ihn zu hören. „Und die Broschecks?“
„Die hatta ooch schon ma uff de Straße jesetzt. Letzten Herbst. Die hatten ’n Haufen Ausjaben wejen die Medikamente und so, die sind doch alle krank. Und da hatten se det Jeld for die Miete nich’. Ick meene, manchmal hat ihn ooch schon ma eena von uns wat jeliehen, und am Lohntach ham ses denn zurückjezahlt, aba wir ham doch ooch alle nischt. Ja, und damals waret besondas arg. Eenes Tages kamen denn die Blechköppe und ham se uff die Straße jesetzt, mit allen Möbeln. Zwangsräumung hieß det. Wat noch von Wert war, hat ihn der Jerichtsvollzieha abjeknöppt, for die Rückstände. Der Curt hat ’n Blaukolla jekricht, so’n Hass uff die Schutzmänna, vastehste, da ham die ihn jleich mitjenommen und innen Knast jesperrt.“
„Entsetzlich!“
„Du sachst et, Kindchen, aba det kümmat doch keen Aas nich’, ob wa hier Dreck fressen. Der Preis for die Straßenbahn wird erhöht, jleich um zwanzich Fennje, is’ denn sowat zu jlooben? Naja, hier kann sich sowieso keena ’ne Straßenbahn leisten. Aba det Brot wird ab Montach ooch teura! Zweefünfundsechzich kostet een Jroßbrot denn! Wo soll det noch hinfüan?“
Diesmal ließ Diana sie
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