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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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lassen! Welcher Schlüssel war es? Der nicht … der nicht … der! Das Schlüsselloch, Beeilung! Warum steckte der Schlüssel fest? War dies etwa der falsche Hauseingang? Beweg dich, verdammt noch mal!
    Fast meinte Hendrik, den Atem seines unbekannten Feindes im Nacken zu spüren, als ihm endlich gelang, die Tür aufzustoßen. Hals über Kopf stürzte er ins Haus, schlug die Tür hinter sich zu, drehte den Schlüssel im Schloss und lehnte sich zitternd von innen gegen das Holz.
    Klack klack!
    Schritte kamen näher, blieben stehen. Das kaum wahrnehmbare Geräusch einer Hand, die über die Türfüllung strich und Rahmen, Schloss, Klinke erkundete. Dann Stille. Hendrik presste sein Ohr an das Holz, aber alles, was er hörte, waren das Rauschen seines Blutes und der wilde Schlag seines Herzens.
    Stille.
    Stille.
    Und dann, zu Hendriks Grauen, flüsterte eine Stimme dicht an seinem Ohr, nur durch eine dünne Holzschicht getrennt: „Gute Nacht, Professor Lilienthal!“
17
    Als Hendrik erwachte, fühlte er sich wie gerädert. Er hatte wieder schlecht geschlafen. Mitten in der Nacht war er ein paarmal aufgewacht, weil irgendwo in der Stadt Schüsse fielen, einmal sogar ganz in der Nähe seiner Wohnung.
    Mühsam setzte er sich auf, massierte seine Schläfen und anschließend die kalten Füße. Das gestrige Erlebnis steckte ihm noch in den Knochen. Er hatte eine ganze Weile gebraucht, ehe es ihm gelungen war, die Anspannung abzuschütteln. Um acht war er schließlich zu Bett gegangen, weil es wenig Sinn machte, sich im Dämmergrau einer Petroleumlampe die Augen zu verderben. Nur ungern hatte er die Flamme gelöscht. Erschreckend, wie schnell Urängste von einem Menschen Besitz ergreifen konnten, sobald das Licht fehlte!
    Hendrik gähnte und reckte sich, begab sich ins Bad und drehte den Wasserhahn auf. Wie erwartet tat sich nichts, demzufolge fiel das Waschen heute aus. Er musste unbedingt daran denken, sich ein paar Eimer Wasser von der nächstgelegenen Pumpe zu holen. Später. Vorerst hatte er einen ausgefüllten Tag vor sich. Er beabsichtigte, bei seinem Bruder vorbeizuschauen, um sich nach dem Stand der Ermittlungen zu erkundigen. Außerdem wollte er wissen, ob Gregor immer noch auf ihn wütend war.
    Er zog sich an und dachte kurz darüber nach, sich etwas zu essen zu machen, ehe ihm einfiel, dass er nichts mehr im Haus hatte. Also ging er zunächst zum Bäcker, wo er sich an das Ende einer langen Schlange anstellen musste. Jeder sah zu, noch rasch das Lebensnotwendige zu hamstern, weil allen klar war, dass sich die Lebensmittelknappheit durch Putsch und Generalstreik weiter verschärfen würde. Die Preise waren in schwindelerregende Höhen geschnellt.
    Während Hendrik darauf wartete, dass er an die Reihe kam, malte er gedankenverloren eine Karikatur des Bäckers in den Schmutz der Fensterscheibe, was ihm befremdete Blicke der hinter ihm Stehenden eintrug. Verlegen löschte er die Zeichnung wieder, mit dem Ergebnis, dass seine Hand schwarz wurde.
    Im Inneren des Ladens verriet ihm ein Blick in die Regale, dass die Kuchenverordnung, die den Brotbäckern das Kuchenbacken verbot, immer noch in Kraft war. Mehl wurde nun mal dringender für Brot gebraucht.
    Irgendwann kam er schließlich an die Reihe, legte seine Brotkarte vor und kaufte ein 1.900-Gramm-Brot. Der Bäcker trennte Abschnitte im entsprechenden Gegenwert ab und händigte ihm die Karte wieder aus.
    Nachdem er das Brot in seine Wohnung gebracht und sich ein spartanisches Frühstück bereitet hatte, schwang Hendrik sich auf sein Fahrrad und begab sich in die Dircksenstraße, zum Publikumseingang des Polizeipräsidiums.
    Eine junge Dame mit modischem Straßenhut aus Zelluloidborten zwinkerte ihm zu, als er sein Rad vor dem vierstöckigen Backsteinbau, der „Roten Villa“, abstellte. Hübsch! Er sah ihr nach, wie sie die Straße überquerte und auf die Stadtbahnbögen zuging, seufzte und betrat das Gebäude, um sich unangenehmeren Dingen zuzuwenden.
    Der Portier grüßte ihn mit Namen. „Sie kennen ja den Weg“, meinte er.
    An den Schaukästen mit Leichenfotos vorbei marschierte Hendrik zielstrebig in das Büro seines Bruders.
    Gregor war anscheinend gerade im Aufbruch. Er sah schlecht aus, unrasiert und unausgeschlafen. Hendrik kannte die Symptome. Es belastete seinen Bruder, wenn er mit einem Fall nicht weiterkam. Vermutlich hatte er sich wieder die Nächte um die Ohren geschlagen und auch am Wochenende gearbeitet.
    „Störe ich?“
    „Kommt drauf an, was du

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