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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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erkennen.
    Gregor berichtete, dass Hermann Unger eine Belohnung für Hinweise auf den Mörder seines Bruders ausgesetzt hatte. Ob aus Furcht vor dem Schaden, den der Ruf der Firma nehmen musste, wenn die Untersuchung sich noch lange hinzog, oder um selbst in einem guten Licht zu erscheinen, war schwer zu beurteilen.
    Die Brüder Lilienthal fuhren an der Urania-Sternwarte vorbei und erreichten endlich das Kriminalgericht, das größte Gefängnis Europas. Es war eine Kleinstadt für sich und mit seinen Elektrizitäts-, Wasser- und Fernheizwerken versorgungsunabhängig.
    Gregor rang nach Atem, während er sein Rad vor dem Gebäude abstellte. Den größten Teil des Weges über war er schweigsam gewesen, hatte Hendrik nur ab und zu verstohlene Blicke zugeworfen. Der wusste genau, was seinem Bruder im Kopf herumspukte, machte aber keinen Versuch, ihm die Situation zu erleichtern.
    „Sag mal …“, druckste Gregor, als käme ihm der Gedanke eben erst, „hältst du es eigentlich für eine gute Idee, eine Frau in deine Wohnung zu nehmen?“
    „Sorgst du dich um meinen Ruf oder den von Fräulein Escher?“
    „Das ist kein Thema zum Scherzen. Kannst du ihr nicht auf anständige Weise den Hof machen?“
    „Was bringt dich auf den Gedanken, dass ich die Absicht habe, ihr den Hof zu machen?“
    „Du willst mir doch nicht erzählen, dass es dir bloß darum geht, ihr eine Unterkunft zu verschaffen.“
    „Natürlich nicht. Ich mag sie. Meine Wohnung ist manchmal ziemlich einsam. Was liegt näher, als sie mit einer guten … äh … Freundin zu teilen?“
    Ärgerlich, dass die Sprachen der Welt zwar feinste Nuancen zwischen Leibeigenen, Hörigen und Sklaven herausarbeiten und zwischen Oberst, Major und Hauptmann unterscheiden konnten, aber bei der Differenzierung von zwischenmenschlichen Beziehungen kläglich versagten! Die deutsche Sprache – und vermutlich auch jede andere – kannte lediglich das intime Freund und das beliebige Bekannter und allenfalls noch das nichtssagende Kamerad . Warum gab es kein Wort für mehr-als-Bekannter-aber-weniger-als-Freund? Oder für Entwicklungen: Werdende-Freunde, Sich-auseinanderlebende-Freunde?
    „Freundschaft zwischen Mann und Frau gibt es nicht.“
    „Tut mir Leid für dich, dass du so etwas noch nicht erlebt hast. Was aber keineswegs bedeutet, dass es nicht existiert. Von allem, was die Weisheit für die Glückseligkeit des Lebens bereitstellt, ist bei weitem das Größte der Erwerb der Freundschaft. Epikur.“
    „Schon gut! Wenn du anfängst, Philosophen herzubeten, kann man mit dir nicht mehr vernünftig reden.“
    Sie begaben sich in das Innere des Gebäudes, wo Gregor einen Beamten beauftragte, Barbara Broscheck zu ihnen zu führen.
    „Warum hat sie bis jetzt geschwiegen?“, fragte Hendrik, während sie im Verhörzimmer warteten.
    „Zu Anfang denken immer alle, es wäre am besten, nichts zu sagen. Ich habe dafür gesorgt, dass sie keine Besuche erhält, um sie schmoren zu lassen und zu verhindern, dass sie sich mit ihrem Mann abspricht.“
    Als Frau Broscheck hereingeführt wurde, musste Hendrik zweimal hinsehen, um sie zu erkennen. Einerseits hatte es ihr gut getan, drei Tage hintereinander nicht arbeiten zu müssen; ihr Haar war frisch gewaschen, und auch die dunklen Ringe unter den Augen waren zurückgegangen. Andererseits sah sie womöglich noch kränker aus. Sicher hatte sie mitbekommen, was in Berlin los war, und sorgte sich um ihre Familie.
    „Wie geht es Anton und mei’m Mann?“, wollte sie denn auch als Erstes wissen.
    „Setzen Sie sich“, erwiderte Gregor, ohne auf ihre Frage einzugehen. „Sie sind also zu dem Schluss gekommen, endlich die Wahrheit zu sagen?“
    „Ich war’s nich’!“
    „Dann erzählen Sie uns, was passiert ist.“
    Sie schwieg, vermutlich unschlüssig, wie viel sie zugeben sollte.
    Um sie zum Reden zu bringen, fing Gregor mit einem harmlosen Detail an. „Sie haben das Messer im Kaufhaus geklaut, damit man die Spur nicht zu Ihnen zurückverfolgen kann, nicht wahr?“
    „Ja“, gab sie zu. „Es … es stimmt, dass ich ihn umbringen wollte. Er hat uns das Leben zur Hölle gemacht. Wir ham alle für ihn geschuftet, und am Ende hat’s doch nie gelangt. Die Raten für die Nähmaschine sind noch nich’ abbezahlt, aber ohne Nähmaschine kann ich nich’ genug dazuverdien’! Curt hat sich für ihn kaputtgemacht. Wenn er nach Hause kommt, sitzt er immer bloß da und kuckt die Wände an, wenn er nich’ gleich einschläft. Ich konnt’ es

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