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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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Ich denke, ich werde mir ein Foto von Curt Broscheck besorgen und Edgar damit losschicken. Vielleicht hat ihn irgendein Nachbar in der Nähe des Tatorts gesehen.“
    „Mir schien ihr Mann gleich verdächtig. Er hat bei der ersten Vernehmung behauptet, er wäre mit seiner Frau zusammen gewesen. Warum? Wollte er ihr ein Alibi verschaffen? Oder eher sich selbst?“
    „Sie war von seiner Aussage überrascht, aber sie hat zugestimmt. Wahrscheinlich, um ihn zu schützen.“
    „Andererseits gibt es manches, was es unglaubhaft erscheinen lässt, dass Frau Broscheck die Täterin war, und diese Ungereimtheiten gelten ebenso gut für ihn.“ Hendrik dachte nach. „Max Unger war nicht der Typ, der eine Arbeiterin ins Haus ließ. Er wird sie, wie sie es geschildert hat, an der Tür abgefertigt haben.“
    „Bleiben die Fingerabdrücke.“
    „Das bringt uns wieder zum Absender des Päckchens. Wenn Frau Broscheck Max Unger getötet hat – wo hat sie das Messer weggeworfen? Doch wohl kaum in der Nähe des Tatorts, so dumm wird sie nicht gewesen sein. Aber es mit nach Hause zu nehmen, wäre auch nicht viel intelligenter. Woher also sollte ein Fremder, der zufällig irgendwo in der Stadt das Wegwerfen eines Messers beobachtet, wissen, dass es sich um eine Mordwaffe handelt? Nein, ich glaube immer weniger an den hilfsbereiten Unbekannten.“
    „Du glaubst, jemand will ihr den Mord in die Schuhe schieben. Der Gedanke ist mir natürlich auch gekommen. Es würde einiges erklären. Wenn sie Max Unger nämlich nicht ermordet hat, dann war es durchaus natürlich, das Messer in der Nähe der Villa fortzuwerfen. Soweit es sie betraf, war ja kein Mord geschehen, weshalb sich also Gedanken über ein Messer machen.“
    „Und dabei hat sie der wirkliche Mörder beobachtet –“
    „– der im Gebüsch verborgen auf seine Chance lauerte, ja! Er erkannte die einmalige Gelegenheit, ungestraft davonzukommen, hob das Messer auf, ohne die Fingerabdrücke zu verwischen, und brachte Max Unger damit um.“
    „So könnte es gewesen sein!“
    „Nur eins stört mich an dieser Theorie.“
    „Was?“
    „Du hast die Wunden nicht gesehen. Wie kann jemand so wild zustechen, ohne dabei die Fingerabdrücke auf dem Messer zu verwischen?“
18
    Vom Untersuchungsgefängnis begab Hendrik sich auf direktem Weg ins Regierungsviertel, ohne seinem Bruder zu sagen, was er vorhatte. Es war nicht ganz ungefährlich, und Gregor hätte ihn sicher davon abzubringen versucht.
    Überall gab es Schlangen vor den Bäckerläden, an vielen Stellen waren die Brotvorräte bereits ausverkauft. Die Warenhäuser hatten bald nach der Öffnung wieder geschlossen. Überhaupt waren nur wenige Geschäfte offen. Lange Schlangen bildeten sich auch an den Straßenpumpen; mit Eimern, Töpfen und Krügen bewaffnet, warteten Lehrjungen und Geschäftsmänner, Dienstmädchen und Witwen aus besseren Kreisen darauf, dass sie an der Reihe waren.
    Die politischen Diskussionen auf der Straße wurden erbitterter geführt. Der anfänglich vorherrschende Ton der Ratlosigkeit war Wut und Fanatismus gewichen. Überall wurde geschimpft und gestritten, weil die Soldaten Kraftwagen für Truppenzwecke beschlagnahmten.
    Hilflosigkeit sprach auch aus den Anschlägen, die verrieten, dass Wunschdenken anstelle von politischem Kalkül in den Reichstag eingezogen war: Die Lage ist gut , hieß es da. Die alte Regierung will die Aufforderung zum Generalstreik widerrufen, da sie dies Unrecht am deutschen Volk eingesehen hat.
    Viele der Reichswehrsoldaten, deren Aufgabe es eigentlich gewesen wäre, die Republik vor den Putschisten zu schützen, trugen mittlerweile selbst mit Kreide gemalte Hakenkreuze auf ihren Stahlhelmen.
    Im Regierungsviertel war Nervosität zu verspüren; die überhebliche Siegesgewissheit des Samstags war der Unsicherheit gewichen. Auch der einfache Soldat schien die Planlosigkeit seiner „neuen Regierung“ zu spüren, die ihre Schwäche durch vermehrten Ausstoß von Flugblättern wettzumachen und durch Androhung von Gewalt ihre Stellung zu halten suchte. Hendrik bekam eine Verordnung gegen das Schieber- und Wuchertum samt Verordnung betreffend Rädelsführer in die Hand gedrückt, in der es hieß, dass Rädelsführer ebenso wie Streikposten ab morgen Nachmittag, vier Uhr, mit dem Tode bestraft würden.
    Er stellte sein Rad ab und vertiefte sich in die Flugblätter, während er auf das Reichstagsgebäude zuging, bis er von einem Soldaten angehalten wurde.
    „Können Sie nicht lesen?“,

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