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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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anzutasten.“
    „Ehre! Ist das Ihre Vorstellung von Ehre, einen Eid auf eine Regierung zu leisten und Geld von ihr zu nehmen, um sie mit eben diesem Geld zu bekämpfen? Gefahr für Deutschland abzuwenden, indem sie es moralisch und wirtschaftlich in den Ruin treiben?“
    „Wir sind Deutschland! Wer außer uns hat den Weitblick, die Erfahrung? Nennen Sie dieses korrupte jüdische Gesocks, das einen Erzberger unter sich duldet, eine Regierung? Grundpfeiler des Staates ist kein labiles Parlament, sondern die Armee! Und diese Armee soll nach dem Willen der Erfüllungspolitiker widerstandslos aufgelöst werden! Deutschland soll schutzlos seinen Feinden preisgegeben werden!“
    Major Pabst merkte wohl, dass er zu viel gesagt hatte, und klingelte nach seinem Adjutanten. „Ich hoffe, ich konnte Ihre Neugier stillen. Geben Sie sich damit zufrieden, dass Sie am Leben sind.“
    „Tut mir Leid, wenn ich Ihre kostbare Zeit verschwendet habe“, meinte Hendrik sarkastisch.
    „Haben Sie ganz und gar nicht! Wir unterbreiten der alten Regierung in Stuttgart gerade ein Verhandlungsangebot. Ihr Besuch hat mir klargemacht, dass wir auch die Niederschlagung sämtlicher Prozesse in der Sache Liebknecht-Luxemburg verlangen müssen.“
    Während Pabst den hereinkommenden Adjutanten anwies, Hendrik zum Ausgang zu geleiten, fiel dessen Blick auf den Kleiderhaken, an dem die Zivilkleidung des Majors hing. Es war ein grauer Cutaway. Verstohlen drehte er ihn so, dass er den hinteren Teil des Kragens zu fassen bekam, und wirklich gab es dort eine geflickte Stelle. Gelobt seien Josephs scharfe Augen! „Wo waren Sie am vergangenen Dienstag zwischen acht und zehn Uhr abends?“, bohrte Hendrik.
    „Leben Sie wohl, Professor!“
    Hendrik wurde weitaus schneller aus dem Reichstag hinauskomplimentiert, als er hineingelangt war. Unzufrieden überquerte er die freie Fläche vor dem Gebäude, nahm sein Fahrrad und schob es Richtung Pariser Platz. War es dumm gewesen, Pabst herauszufordern? Was hatte ihm sein Besuch eingebracht?
    Erstens die Bestätigung, dass Pabst Thor war, der geheimnisvolle Unbekannte. Wenn es Gregor gelang, ein Foto aufzutreiben, könnte er es Joseph vorlegen, der den Major womöglich als den Mann identifizierte, der am 12. Februar Max Unger besucht hatte. Womit dessen Behauptung, er habe den Industriellen nicht gekannt, zusammenbrach.
    Zweitens wusste er jetzt ein paar Dinge über den Spitzel, der ihn verfolgte, und das war ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt. Gegen einen Feind, den man kannte, konnte man sich wappnen.
    Ein unbestimmtes Gefühl brachte Hendrik dazu, sich umzudrehen; vielleicht das Geräusch eines allzu verstohlenen Schrittes, der urplötzlich beschleunigte, vielleicht eine Art sechster Sinn. Sein Verstand, mit der Analyse des Gesprächs beschäftigt, brauchte eine Sekunde, um die Wahrnehmungssplitter zusammenzusetzen: das Auftauchen eines Spitzbartes, keuchender Atem, eine abrupte Bewegung mit der Hand. Ein schmerzhafter Stich traf ihn oberhalb seiner linken Hüfte, während er instinktiv zur Seite wich. Es krachte; Hendrik stürzte über sein Rad. Zwischen seinen Rippen schmerzte es, sein Hemd saugte sich mit etwas Nassem voll, aber er hatte nicht die Zeit, darüber nachzudenken.
    Ein plötzlicher Adrenalinstoß gab ihm die Kraft, seine Lähmung abzuschütteln. Ohne nachzudenken griff er nach einem Pflasterstein, während sein Gegner noch fluchend über das unerwartete Hindernis hinter ihm hersprang. Hendrik trat nach den Beinen des Meuchelmörders und entging einem tödlichen Stich nur um Haaresbreite. Mit aller Wucht schlug er mit dem Stein zu, streifte aber nur die Stirn des Spitzels. Dennoch genügte der Moment der Überraschung, um die Messerhand zu ergreifen und festzuhalten.
    Schwitzend rangen die Männer miteinander. Die körperliche Nähe zu dem Attentäter verursachte Hendrik Übelkeit. In Todesangst trat, biss und schlug er um sich und erhielt auf diese Weise genug Luft, um mit einem Sprung noch einmal das Rad zwischen sich und seinen Gegner zu bringen.
    Ein Soldat wurde auf den Vorfall aufmerksam. „He! Sie da!“, rief er.
    Der Spitzel begriff, dass der Überraschungseffekt dahin und der Anschlag misslungen war. „Wir sehen uns, Professor!“, flüsterte er mit sardonischem Grinsen. Es erfüllte Hendrik mit Entsetzen, die Stimme von letzter Nacht wiederzuhören. Der Mann hastete über den Pariser Platz auf die Wilhelmstraße zu. An der Ecke drehte er sich noch einmal um, lüftete

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