Dunkle Templer 01 - Erstgeboren
nicht einmal etwas ahnst.
Ach du Scheiße.
In der Tat.
Jake wälzte sich herum und wischte sich das Gesicht ab. »Dann mal los«, sagte er und wappnete sich.
Aber noch vor dem Ansturm kam von Zamara ein Augenblick warmer Dankbarkeit, so sanft wie eine von Blumenduft schwere Brise. Danke, Jacob. Danke.
Und dann…
Informationen stürzten mit derartiger Geschwindigkeit auf ihn ein, dass er wimmerte und die Augen und Ohren schloss in dem fruchtlosen, albernen Versuch, sie auszusperren. Doch die Informationen strömten natürlich weiter in ihn, denn dieses Wissen, diese Empfindungen von Einheit rührten nicht von seinen Sinnen. Zumindest nicht von seinen herkömmlichen fünf Sinnen.
Emotionen und Empfindungen schlugen gleichsam in seinen Kopf ein. Jake keuchte lautlos auf. Und dann – so plötzlich, als wäre Jake auf einem durchgehenden Pferd geritten, das auf einmal in gemütlichen Trab verfiel – begann Jake, alles zu verarbeiten.
Nein. Nicht Jake, nicht Jacob Jefferson Ramsey.
Und nicht Zamara, nicht Temlaa.
Sondern sie alle.
Alle arbeiteten sie zusammen, als tanzten sie miteinander. Sie fingen die Informationen und Empfindungen auf, registrierten sie, integrierten sie – und weiter ging es: Jemand schritt einen Gang entlang. Der Chefkoch schrieb die Speisekarte und schickte einen Assistenten zum Kräuterpflücken. Und, ach, Jake wollte es nicht sehen, konnte aber nicht anders, konnte es nicht ignorieren, kam nicht umhin, Rosemarys warme Gefühle sexueller Begierde und momentaner Zufriedenheit zu sehen und zu integrieren… Dutzende von Menschen, Hunderte von Gedanken und Gefühlen drangen auf Jake und Zamara ein, und sie handhabten sie sicher und geschickt.
Bis sie über einen der Gedanken stolperten.
Irgendwo in diesem gewaltigen Komplex, der teils Villa, teils Labor- und Trainingseinrichtung war, hatte jemand einen Gedanken, der Jake und Zamara wie ein Schlag in die Magengrube traf. Es war ein flüchtiger Gedanke, ein Gedanke mit schmetterlings-leichten Flügeln, der sofort von anderen, dringenderen Wünschen bezüglich Essen und einer Dusche verdrängt wurde:
Ich frage mich, was für einen Bonus wir von Mr. V. für den Gedankenleser bekommen werden.
KAPITEL 22
Wie war das möglich?
Jake las Gedanken seit dem Augenblick, da er hier angekommen war. Nichts und niemand hatte darauf hingedeutet, dass Ethan vorhatte, ihn zu hintergehen.
Rasch und ohne auch nur darüber nachzudenken, ortete er Ethan und tauchte in dessen Kopf ein.
Nichts. Hier wies nichts auf einen Verrat an Jake hin. Wie war das möglich? War dieser Niemand, dieser… Mechaniker in Ethans Diensten schlicht einem Irrtum aufgesessen? Aber wie zum Teufel saß man einem Irrtum auf, wenn es um Geschäfte mit dem Sohn eines Kaisers ging?
Mühelos, fast ohne darüber nachzudenken, schlüpfte Jake in Rosemarys Gedanken und suchte nach einem Anzeichen dafür, dass sie davon wusste. Dass sie darin verstrickt war. Doch sie tappte ebenso im Dunkeln wie er.
Im Dunkeln…
Jake schloss die Augen, konnte aber nach wie vor sehen. Abermals stieg er als Temlaa die gewundene Treppe in die Höhlen hinab, betrachtete die leuchtenden Edelsteine und das glatte Gestein, das vielleicht nicht wirklich Gestein war, sah den schwebenden Kristall und was er Gutes wie Schlechtes mit dem willigen Savassan tat…
Das war es!
Jake verstand jetzt genau, was geschehen war.
*
Ethan saß allein in seinen Privatgemächern. Das Licht war gedimmt, das einzige Geräusch kam von Wasser, das sanft aus einem zierlichen Brunnen floss. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, sein Blick war sanft. Er betrachtete die flackernden Kerzen, die vor ihm standen. Vierzig zusammengebundene Kerzen, vierzig winzige Flammen, die hell brannten. Alles, was er sah, war die Flamme, alles, woran er dachte, war die Flamme – er selbst war ganz und gar die Flamme. Er ließ sein Denken davon einnehmen, dann zog er die rechte Hand zurück.
Ethan ließ sie nach vorne schießen, näherte sie in einer Schlagbewegung der Flamme und verbrannte sich fast die Knöchel.
Die Kerzen erloschen. Rauch waberte in die Höhe, grau und sich kräuselnd. Ethan schloss die Augen, atmete tief ein und aus. Er war nicht übersinnlich begabt. Aber er hatte gelernt, seinen Geist zu trainieren und zu disziplinieren, sodass er ihm gehorchte. Ein Teil dessen, was die Kerzen zum Verlöschen gebracht hatte, war der Luftzug gewesen, der nichts weiter getan hatte, als seiner natürlichen Bewegung zu folgen. Aber es
Weitere Kostenlose Bücher