Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)
Wenn er herausfand, dass sie nichts besonders gut konnte außer Wunden heilen … Was würde er dann mit ihr tun?
»Warum hast du deine Pläne nie mit Dante umgesetzt?«, wollte Kyrian wissen. »In ihm fließt doch auch Islas Blut.«
»Nicht genug«, grollte Lothaire. »Isla hat früh gespürt, dass zu w e nig Licht in ihm ist, und das hat sich ja nun bestätigt. Er schlägt eher nach mir.« Er lachte hämisch. »Daher ließ sie ihn wohl auch zurück.«
Jenna spürte Dantes Enttäuschung, als wäre es ihre eigene. Wie Säure brannte sie in ihrer Brust. Doch äußerlich ließ sich ihr Bruder nichts anmerken.
Langsam stand er auf und reichte Kyrian das zweite Schwert. Kyrs Blick glitt kurz zum König, bevor er aufsprang und mit der Waffe ausholte. Jenna hielt die Luft an, als das Metall klirrend aufeinande r krachte.
Die beiden kämpften verbittert, zumindest sah es so aus, und hi e ben ununterbrochen aufeinander ein. Kyrian konnte einem Schwer t stoß gerade noch ausweichen, aber die Spitze der Schneide ritzte se i ne Brust.
Jenna war zu aufgeregt, um etwas von Dante zu empfangen, falls er ihr überhaupt etwas mitteilte. Der Kampf wirkte verdammt echt. Ihr Vertrauen in Dante wankte, weshalb sie trotz Ablenkung ve r suchte, sich in seine Lage zu versetzen. Wie musste er sich nun fü h len, seit er wusste, dass die eigene Mutter ihn zurückgelassen hatte? Ob ihn das wütend machte?
Plötzlich verharrten die Klingen über ihren Köpfen, und Dante drängte Kyrian nach hinten, zum geöffneten Fenster hin, bevor e r neut Metall auf Metall krachte.
»Zeig’s dem Bastard!«, rief Lothaire und feuerte Dante ununte r brochen an, Kyrian den Kopf abzuschlagen.
Plötzlich saß Kyr halb auf dem Sims, während er sich verbissen verteidigte, doch Dante war so verdammt stark und Kyrian offe n sichtlich immer noch zu geschwächt wegen der magischen Kristalle. Kyrians Schwert flog aus der Hand und Dante drückte ihm die Kli n ge an den Hals.
»Hört auf!«, rief Jenna. Sie konnte das nicht länger mit ansehen.
Nach einem letzten Blick auf Jenna stürzte Kyrian rückwärts aus dem Fenster.
»Nein!« Sie wollte sich aus dem Griff der Wache befreien, doch die hielt sie eisern fest. Wieso hatte er das getan? »Er hat sich transl o ziert, nicht wahr?«, fragte Jenna möglichst ruhig, obwohl ihre Kehle wie zugeschnürt war und sie gegen ihre Tränen ankämp f te.
Dass er aus dem Fenster springt, gehörte nicht zu unserem Plan. Dante, der etwas bleich um die Nase war, schüttelte den Kopf, wirkte aber g e fasst. »Das funktioniert hier nicht.« Ich habe nicht damit gerechnet, wir k lich. Ich glaube, er vertraute mir nicht.
Kyrian war ein Krieger, einer der besten. Er würde niemals aufg e ben. Auch wenn er geschwächt war, würde ihn ein Sturz aus einem Turm – einem verdammt hohen Turm – doch nichts ausmachen?
Schon, denn das konnte keiner überleben.
Dante beugte sich über den Sims.
»Siehst du ihn?«, fragte Jenna.
Ihr Bruder schüttelte den Kopf. »Der Turm ist zu hoch, die Nacht zu dunkel.«
»Gut gemacht, mein Sohn!« Lothaire klopfte ihm auf den Rücken und wandte sich zufrieden lächelnd an Jenna. »Sieh an, meine Toc h ter hat ein Faible für meinen Ex-Spion?«
»Nein … ich … bin nur überrascht, dass … er war sonst so stark.«
»Er hat gekämpft wie ein Bolg.« Lothaire lachte vergnügt. »Wir k lich gut gemacht, mein Sohn.«
Sie spürte Dantes Stolz und fühlte sich zugleich ängstlich wie nie zuvor. Kyrian, ihre einzige Hoffnung auf Rettung – tot? Sie musste sich mit eigenen Augen davon überzeugen, doch ihre Beine waren wie gelähmt. Außerdem hielt die Wache sie unerbittlich fest.
»Ich will seine Leiche!« Lothaire schickte die beiden Soldaten weg, sodass sie nur noch zu dritt im Turm waren, und der Krieger lies Jenna los.
Sie rieb sich über den Arm und starrte ununterbrochen auf das Fenster. Dante stand daneben, und Jenna empfing nichts von ihm, in seinem Kopf schien Chaos zu herrschen, genau wie in ihrem.
Dennoch bemerkte sie die Bewegung am Fenster. Sie zwinkerte. Vier Finger klammerten sich an den Sims, deren Krallen sich in den Stein bohrten. Dann vier weitere auf der anderen Seite.
Ihr Herzschlag geriet ins Stolpern.
» Was hast du? «, fragte Dante, und im selben Moment sprang Kyr i an ins Zimmer. Die Schwingen von sich gespreizt und die Fänge gefletscht, stürzte er sich mit gezückten Messern auf den König.
Lothaire reagierte sofort und zog sein Schwert, noch bevor Kyr ihn
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