Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)
sie beide zu und schwieg. Was ihm wohl durch den Kopf ging? War das eine einmalige Sache gewesen oder der Beginn einer Beziehung?
Seine Hand legte sich besitzergreifend auf ihre Brust, was ihr ein sicheres Gefühl gab. Sie spürte, dass er sie anstarrte, ihr förmlich Löcher in den Nacken brannte. Aber er ließ sie nicht los. Also würde sie diese Nacht bei ihm bleiben und einfach sehen, was der Morgen brachte.
Kapitel 13 – Seelennahrungssuche
N
icolas starrte auf Jamie, der vor seinem Kleide r schrank stand und sich ein bauchfreies Shirt übe r zog. Dazu trug er verdammt enge Röhrenjeans. Er sah aus wie einer der Toyboys, die sich im Desiderio anboten. Klar wusste Nick, dass er auf diese Weise mehr Männer auf sich aufmer k sam machen kon n te. Und das gefiel ihm nicht.
Wenigstens hatte ihr Liebesspiel bei Jamie keine Spuren hinterla s sen. Im Gegenteil – der Kleine war bei bester Laune, obwohl er jetzt auf Seelenfang gehen musste, weil Zorell schon auf dem Zahnfleisch kroch. Mit Jamie zu schlafen war immerhin eine gute Möglichkeit, den Zash auszubremsen. Sobald Noir ihr Baby bekam, würde Nic o las den Kleinen so richtig rannehmen, damit dieser widerliche D ä mon keine Chance bekam, Unheil zu stiften. Bei dem Gedanken zuckte sein Geschlecht.
»Und, wie sehe ich aus?« Jamie drehte sich vor ihm und wackelte demonstrativ mit dem Hintern.
»Wie eine männliche Hure«, murmelte Nick.
Der Kleine grinste. »Also perfekt.« Dann musterte er Nicolas von oben bis unten. »Aber so kannst du nicht mitkommen.«
Was war an seinem Outfit auszusetzen? Er sah aus wie immer. Der Türsteher hatte ihn bisher jedes Mal ins Desiderio gelassen.
»Wir gehen ins Popcorn«, erklärte Jamie, als ob damit alles gesagt wäre.
Nick runzelte die Stirn. »Von so einer Dämonenbar habe ich noch nie gehört.«
»Das ist ein Klub in Soho, Dummerle«, sagte er mit nasalem Klang und machte eine affektierte Handbewegung.
Nick lachte. Es war zu ulkig, Jamie in dieser Verkleidung zu sehen. Fehlte nur noch, dass er sich Lippenstift auflegte. Er war zwar schwul, doch das merkte man für gewöhnlich nicht. Jamie wirkte eher wie ein Frauenschwarm, war der männliche Typ, auch wenn er Nicolas manchmal wie ein Junge vorkam. Was wohl einerseits am Altersunterschied lag – immerhin war er 363 Jahre älter –, andere r seits daran, dass Jamie die Jahre, während er zum Mann heranreifte, in der Unterwelt verbracht hatte.
Nick dachte kurz an seine eigene Kindheit und Jugendzeit. Er ha t te viele schöne Erinnerungen daran, war wohlbehütet in Italien au f gewachsen. Im 17. Jahrhundert wurde er auf der venezianischen Friedhofsinsel San Michele geboren und verbrachte zahlreiche Jahre in Venedig – außer zu Zeiten, als die Pest grassierte, da hatten sie in anderen Städten gelebt. Venedig verdankte er die Liebe zur Oper. Seine Eltern waren über ein Jahrhundert zusammen gewesen, bis seine Mutter eines natürlichen Todes starb. Gargoyles wurden leider nicht so alt, lebten aber länger als Menschen. Manche sollten sogar fast doppelt so alt geworden sein. Das lag wohl am Steinschlaf.
Nicks Vater hingegen, der ein waschechter Inkubus war, trieb he u te noch sein »Unwesen« in Italien und sie sahen sich ab und an, doch sie verband eher ein freundschaftliches Verhältnis als ein väterliches.
»Popcorn«, murmelte Nick. Das sagte eigentlich schon alles. Okay, sie gingen also ins Gayviertel von London. Da konnte er in seiner Goyle-Montur nicht so ohne Weiteres mitkommen. »Gut, ich hole meinen Mantel.« Niemand würde seine Schwingen darunter sehen, er würde höchstens wegen seiner ausladenden Schultern bewundernde oder seltsame Blicke kassieren.
Jamie stemmte die Hände in die Hüften und schaute auf Nicks Füße.
»Und meine Biker Boots«, knurrte er, weil er es hasste, Schuhe zu tragen. Die Stiefel waren ohnehin die einzigen Treter, in die er sich hineinzwängen konnte.
Was tat man nicht alles, um jemand anderen glücklich zu machen.
Zehn Minuten später erschuf Jamie ein Portal direkt in eine Toile t tenkabine. Nick hatte Probleme, die enge Zelle zu verlassen, und trat beinahe die Seitenwand ein. Als er es endlich geschafft hatte, dem nach Urin stinkenden Raum zu entfliehen, wäre er am liebsten gleich wieder umgekehrt. Brüllend laute Diskomusik zerrte an seinen Ne r ven und strapazierte sein empfindliches Gehör.
»Das ist nicht dein Ernst!«, rief er Jamie zu, der ihn an der Hand hielt und durch tanzende, schwitzende
Weitere Kostenlose Bücher