Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)
angestellt. Oder hatte das Wasser eine Änderung bewirkt, vielleicht verborgene Kräfte a k tiviert? Jenna wusste es nicht, nur, dass ihre Träume verdammt l e bendig waren.
Langsam glitt sie zurück in den Schlaf und hörte erneut diese Männerstimme: »Es geht ihr gut. Kyrian braucht sich keine Sorgen zu machen. Ich passe auf Myra auf. Kommt nur niemals ins Dunkle Land …«
Jenna war abermals Dante, ein Dunkelelf, der Sohn des Königs. Sie hatte gesehen, wie er in einer Art mittelalterlicher Burg von einer Amme großgezogen worden war, hatte miterlebt, wie sein Vater – König Lothaire – ihn für kleinste Vergehen streng bestraft hatt e und wie er das Mädchen Myra verteidigte, als andere Elfenjungs sie ärge r ten …
Pyra und drei weitere Jungs hatten Myra in eine Ecke im Burghof gedrängt. Sie fauchte und schlug nach ihnen, während Olgidur ihre Hände mit einem Stock abwehrte und lachte. Dantes Magen ve r krampfte sich. Diese Feiglinge suchten sich immer das schwächste Opfer aus. Und diese Elfen wollten einmal Soldaten des Königs werden?
»Pyra!«, rief Dante und lief auf die Gruppe zu. Die Jungs hatten sich verkleidet, trugen selbst gebastelte Lederharnische und Hol z schwerter. »Was soll das?«
Pyras Grinsen reichte fast bis zu seinen Spitzohren. »Dieser hässl i che Bolg weigert sich, unsere Gefangene zu spielen. Wir wollen sie nur ein wenig ärgern.«
Myra und hässlich? Dante musterte sie kurz. Er fand an ihr nichts auszusetzen, außerdem hatte sie nichts mit diesen unförmigen, scheußlichen Kobolden gemein, die unter der Erde hausten. »Der König will seine Sklavin unversehrt.«
»Aye, mein Prinz«, erwiderte Pyra spöttisch. »Wir werden ihr kein Haar krümmen.«
Pyra war Dantes bester Freund. Doch es war keine richtige Freundschaft, nicht für Dante, denn Pyra wollte sich durch ihn ve r mutlich die Gunst des Königs erschleichen. Eigentlich hatte Dante niemanden, dem er vertrauen konnte. Alle wussten, dass das Blut einer Lichtelfe in ihm floss, und akzeptierten ihn nur, da er Lothaires Sohn war.
Nachdem sich die Jungs maulend zerstreut hatten, ballte Myra zornentbrannt die Fäuste. Tränen liefen über ihre Wangen, ihre Fä n ge blitzten auf. »Ich werde ihnen die Augen auskratzen!«, zischte sie. Mordlust funkelte in ihren Pupillen.
Die Jungs mussten ihren Stolz schwer verletzt haben. Außerdem wusste Dante, wie sehr sie sich davor fürchtete, gejagt zu werden. Das hatte sich ihm offenbart, als er Myra einmal aus dem Turm se i nes Vaters geholt hatte, unter dem Vorwand, er und seine Freunde brauchten ein Opfer zum Jagen.
Dante zog sie zu den Ställen, wo sie ungestört reden konnten, und drängte sie in eine leere Box. »Bitte verhalte dich unauffällig. Zeige Demut oder Vater wird dich in den Kerker sperren.«
»Ich habe es satt, für alle ein Spielzeug zu sein, die willige Sklavin, die den ganzen Tag machen muss, was andere befehlen.« Langsam beruhigte sie sich. Sie drückte ihren zitternden Leib gegen die Hol z wand und ließ den Kopf hängen. »Olgidur wollte …« Sie schluchzte auf. »Er hat gesagt, er zeigt mir, was er mit Gefangenen macht und wollte mein Kleid zerreißen.«
Hastig blickte Dante über den Rand der Box. Kein Elf befand sich im Stall, in dem es dunkel war und nach Pferdemist stank. »Versuch einfach, nicht aufzufallen, oder du wirst das Tageslicht nie mehr s e hen.« Am liebsten wollte er Olgidur köpfen! Seine Hand wanderte zum Schwert an seiner Seite. Als Sohn des Königs war er schon früh im Schwertkampf unterrichtet worden und durfte neben seinem V a ter und den Wachmännern als Einziger in der Festung eine Waffe tragen.
Dante musterte Myras einfaches Kleid, dessen Saum tatsächlich ein Stück eingerissen war. Ein Schmutzfleck befand sich an der Stelle, hinter der sich eine zarte Mädchenbrust wölbte. Wut brannte in se i nem Magen.
»Ich wünschte, Kyrian würde kommen und mit mir von hier fli e hen.« Sie hielt den Kopf immer noch gesenkt; Tränen tropften auf den Boden. »Wenn ihn das Training vorher nicht umbringt.«
Dante erkannte, dass er nicht der Einzige auf der Burg war, der sich verlassen fühlte. Wenn Kyrian es eines Tages schaffte, Myra freizukaufen, wäre Dante allein. Sanft schloss er Myra in die Arme und streichelte ihren Rücken. Sie hatten so viel gemeinsam, hatten beide ihre Mutter verloren, waren keine reinen Dunkelelfen und mussten sich ihrem Schicksal beugen. Er sollte an ihrer Stelle stehen, ihn sollten sie hänseln. Myra sah
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