Dunkle Umarmung
seiner Berichte. Vor zwei Jahren hatte Mama das gesamte Haus umgestalten und neu einrichten lassen, bis auf sein Büro. Es war der einzige Raum, den sie nicht verändern durfte, und das, obwohl auf dem Fußboden ein reichlich abgenutzter rechteckiger Teppich lag, den Mama als peinlich empfand.
Den Schreibtisch hatte schon sein Vater besessen, und er hatte Kratzer und Sprünge an den Rändern, aber Daddy ließ nicht zu, daß etwas damit geschah. Sein Büro wirkte vollgestopft, weil er an allen Wänden Regale mit Modellschiffen und Büchern über Nautik hatte. Es gab ein kleines dunkelbraunes Ledersofa und einen abgenutzten Schaukelstuhl aus Walnußholz mit einem ovalen Ahorntisch daneben. Er las im Licht einer Öllampe aus Messing.
Die einzigen Kunstwerke in diesem Raum waren Bilder von Schiffen: Yankee-Klipper und ein paar der ersten Luxusdampfer, und auf seinem unordentlichen Schreibtisch und dem ovalen Tisch standen Modelle aus getrocknetem und behandeltem Treibholz. An der Wand hinter ihm hing ein Porträt seines Vaters. Großpapa van Voreen, der zwei Jahre vor meiner Geburt gestorben war, hatte ein hartes, strenges Gesicht mit tiefen Falten und runzligen Wangen. Daddy sagte immer, er sei seiner Mutter ähnlicher, die auch schon vor meiner Geburt gestorben war. Auf Fotografien sah sie wie eine winzige, zarte Frau aus, von der Daddy wahrscheinlich seine stille und konservative Art geerbt hatte.
Ich sah mir die Fotografien von Daddys Eltern häufig an, denn ich suchte nach Ähnlichkeiten mit mir selbst. Ich hatte den Eindruck, die Augen seiner Mutter könnten meinen auf manchen Bildern ähnlich sein, aber auf anderen sahen sie wieder ganz anders aus.
Als er bemerkte, daß ich sein Büro betreten hatte, blickte er langsam auf. Im allerersten Moment war es, als hätte er mich nicht erkannt. Dann stand er schnell auf, und großes Erstaunen trat auf sein Gesicht.
»Wie sehe ich aus, Daddy?« fragte ich zögernd.
»Du wirkst so… erwachsen. Was hat deine Mutter mit dir angestellt?«
»Ist es in Ordnung?« wollte ich besorgt wissen.
»Ja, sicher. Mir war nicht klar, wie schön du geworden bist, Leigh. Ich glaube, ich sollte lieber aufhören, ein kleines Mädchen in dir zu sehen.« Er starrte mich noch etwas länger an, und ich wurde verlegen und spürte, daß ich errötete. »So, so«, sagte er schließlich und kam um seinen Schreibtisch herum auf mich zu. »Dann werde ich wohl heute abend rechts und links bei einer schönen Frau eingehakt sein. Zwei schöne Frauen, wie wundervoll.« Er drückte mich an sich und wärmte meine Wangen mit Küssen.
»Bist du sicher, daß ich so, wie ich jetzt aussehe, bleiben kann, Daddy?«
»Natürlich, ich bin ganz sicher. So, und jetzt wollen wir mal sehen, wie viele Stunden es noch dauert, bis deine Mutter die Treppe herunterkommt.« Er legte seinen Arm um mich, und wir traten in die Eingangshalle und sahen in dem Moment nach oben, in dem Mama die Freitreppe hinunterschritt.
Sie war so hübsch wie immer. Ihre Augen funkelten und glänzten. Ihr Teint war strahlend frisch, und ihr Haar schimmerte wie Engelshaar. Sie zwinkerte mir zu, als sie auf uns zukam.
»Meine Güte, Cleave, du hättest dir wenigstens einen anderen Anzug anziehen können, statt den anzulassen, den du schon den ganzen Tag getragen hast«, tadelte sie und trat vor ihn hin.
»Das habe ich doch getan!« protestierte Daddy.
Mama schüttelte den Kopf.
»Einer sieht aus wie der andere – wie soll man da einen Unterschied bemerken?« Sie strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Sieht Leigh nicht gut aus?«
»Sie ist umwerfend schön. Ich wüßte nicht, wann ihr noch mehr als heute wie Mutter und Tochter ausgesehen hättet«, sagte er, aber das schien Mama zu verletzen. Auch ihm fiel das auf, und er verbesserte sich eilig. »Aber im Grunde genommen siehst du zu jung aus, um eine Tochter zu haben, die schon so erwachsen ist. Ihr wirkt eher wie Schwestern«, schloß er.
Mama strahlte. »Siehst du«, flüsterte sie, als wir aus dem Haus gingen, »man kann sie immer dazu bringen, genau das Richtige zu tun und zu sagen, wenn man nur will.«
Mein Herz flatterte, und meine Kehle wurde eng und entspannte sich nicht so schnell wieder. Mama tat es wirklich: Sie weihte mich tatsächlich in die Geheimnisse der Frauen ein.
So, wie ich jetzt gekleidet war, und noch dazu auf dem Weg in ein schickes Restaurant, war ich so aufgeregt und begeistert wie nie zuvor.
Und dann bereitete uns Daddy im Restaurant noch eine
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