Dunkle Umarmung
zusätzliche Überraschung. Er erklärte, er hätte eine Route für eine neue Karibik-Kreuzfahrt festgelegt, weil er hoffte, damit die Geschäfte wieder anzukurbeln. Auch Jamaika wurde angelaufen und war sogar für einen längeren Zwischenstopp vorgesehen. Daddy hatte Pläne geschmiedet und wollte uns gleich auf die erste Kreuzfahrt mitnehmen. Wir sollten schon in der kommenden Woche aufbrechen, und es würde eine Begrüßungsfeier und alles, was dazugehört, geben.
Mama war so sprachlos, daß sie im ersten Moment gar nicht glücklich aussah, obwohl sie doch gerade heute erst wieder darüber geklagt hatte, daß sie nie nach Jamaika käme, das sich zu einem Ferienort von reichen Leuten und Berühmtheiten herausgemacht hatte.
»Aber was ist mit Leighs Unterricht?« fragte sie.
»Wir werden ihren Hauslehrer mitnehmen, wie sonst auch«, erwiderte Daddy und sah sie verblüfft an, weil sie sich plötzlich um solche Dinge sorgte.
Auch mir erschien es merkwürdig, daß ihr das Sorgen bereitete. Bisher hatte sie nie viele Gedanken an solche Dinge verschwendet.
»Ich dachte, du würdest dich freuen«, sagte Daddy. Ihm schien es das Herz zu brechen, daß er Mama mit dieser Ankündigung nicht mehr Freude entlocken konnte.
»Ich freue mich ja. Es ist nur… es ist einfach untypisch für dich, Cleave, spontan zu entscheiden.« Ihre Stimme kam mir seltsam vor, fast spröde. »Ich brauche einen Moment, um mich an den Gedanken zu gewöhnen.« Sie sah mich an, und im nächsten Moment lachte sie, und dann feierten wir weiterhin meinen Geburtstag.
Was für ein wunderbarer Geburtstag das doch ist, dachte ich.
Und wie absolut passend es war, daß Daddy mir dieses Tagebuch geschenkt hatte, in dem ich diese kostbaren Erinnerungen festhalten konnte. Es war, als hätte er gewußt, daß ich von jetzt an ständig viele ganz besondere Dinge erleben würde und sie mehr denn je niederschreiben wollte, um sie für alle Zeiten zu bewahren.
Heute bekam ich einen Vorgeschmack darauf, wie es war, sich nicht mehr wie ein kleines Mädchen, sondern wie eine Frau zu fühlen. Tief in meinem Innern fragte ich mich, ob Daddy mir weiterhin kleine Geschenke mitbringen und mich seine kleine Prinzessin nennen würde. Irgendwie fürchtete ich, seine Liebe zu mir könnte sich verändern, könnte abnehmen, wenn ich erwachsen wurde.
Mama kam zu mir, nachdem ich die Lichter ausgemacht hatte und ins Bett gekrochen war. Sie wollte mich noch einmal an unseren Besuch in Farthinggale Manor erinnern. Intuitiv spürte ich, wie wichtig es ihr war, daß es mir dort gefiel. Der Ort, den sie mir beschrieben hatte, mußte mich begeistern. Es klang nach einem Königreich aus einem Märchen.
Und dieser Tony Tatterton… es klang so, als sei er dort der König!
2. KAPITEL
EIN VERWUNSCHENES KÖNIGREICH
Ich hoffte, Daddy würde mit uns kommen, um sich Mamas Wandgemälde anzusehen, aber, obwohl es ein Wochenende war, mußte er ins Büro gehen. Normalerweise verbrachte er den Samstag dort und oft einen Teil des Sonntagnachmittags.
An eben jenem Wochenende war er niedergeschlagener denn je. Es schien sicher zu sein, daß er einen seiner Ozeandampfer verkaufen und personelle Einsparungen machen mußte. Die Fluggesellschaften weiteten sich noch schneller aus, als er anfangs geglaubt hatte, und er verlor immer mehr Kunden an sie. Er sagte, die Fluglinien böten ihren Passagieren delikate Mahlzeiten an Bord an, sogar Gerichte, die von berühmten Küchenchefs zubereitet wurden, und die Menschen hätten es immer eiliger, von einem Ort zum anderen zu kommen. Ich wollte ihm nicht sagen, daß einige meiner Freundinnen in der Schule davon träumten, Stewardessen zu werden.
Mama sagte ihm, er solle noch in etwas anderes als Dampfschiffe und Luxusdampfer investieren, aber er schüttelte den Kopf und erwiderte, nur damit würde er sich wirklich auskennen.
»Der Kapitän geht mit seinem Schiff unter«, sagte er zu mir.
»Stimmt’s, Prinzessin?« Mir tat er entsetzlich leid, aber Mama schien nicht im geringsten besorgt oder aufgebracht zu sein.
Sie glaubte, die neuen Karibik-Kreuzfahrten könnten ihm helfen. Sie sagte, sie hätte ihm schon seit einer Weile zugeredet, sich daran zu versuchen.
»Aber wie alle Männer«, sagte sie zu mir, »haßt er es, wenn eine Frau ihm Ratschläge gibt. Also wirklich«, sagte sie,
»Männer bleiben für alle Zeiten kleine Buben. Sie wollen bemuttert und verhätschelt werden, und sie sind immer so stur.«
Ich hörte ihr genau zu, aber ich fand
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