Dunkle Verlockung (German Edition)
und träumte, einmal einen Partner und eine Familie zu haben. Und ein Zuhause, das nicht so endlos still war, wenn sich sanft die Nacht herabsenkte. Auch sie selbst hatte sich alle Mühe gegeben, die Wahrheit zu vergessen, weil dann die Schmerzen leichter zu ertragen waren.
»Ich hätte dir mehr Courage zugetraut, Jessamy.«
Sie presste ihre Fingernägel in die Handflächen. In diesem Augenblick hasste sie ihr Leben, das sie sich Stein für Stein aufgebaut und in dem sie sich irgendwann selbst eingemauert hatte. Sie stand auf und griff nach der kleinen Tasche, in der Galen – wie unerwartet und verwirrend – ihre Sachen zusammengepackt hatte. Dann öffnete sie die Tür und fragte, bevor der Mut sie verlassen konnte: »Wäre dein Zuhause leichter zu bewachen?«
Galen nickte knapp, wobei ihm sein leuchtend rotes Haar in die Stirn fiel. Mit einer ungeduldigen Geste strich er es zurück. »Es liegt am Hang der Schlucht. Ein Eingang, keine Treppen.«
Also würde sie ihm erlauben müssen, sie in seinen Armen dorthin zu fliegen.
Ohne den Blick von ihr abzuwenden, fuhr Galen fort: »Es ist nicht weit.« Die stürmische See in seinen Augen verriet ihr, dass er sie zu genau betrachtete. »Nur einen Herzschlag oder zwei zu fliegen.«
Auf ihrem Rücken brach Schweiß aus, und sie musste zweimal schlucken, bevor sie heiser hervorbrachte: »In Ordnung.«
Galen schwieg, bis sie den Rand der Felsklippe erreicht hatten, die in die wundervoll gefährliche Schlucht hineinragte. »Halt dich fest«, brummte er. Dann hob er sie hoch und zog sie an sich, mit einem Arm stützte er ihren Rücken, den anderen schob er unter ihre Beine. »Und denk an all die Schimpfwörter, die dir für mich einfallen.«
Vor Überraschung und Freude stieg Lachen in ihr auf … und in diesem Moment machte er einen Schritt von der Klippe und flog mit ihr hinunter zu seinem Quartier. Über ihnen schlugen in einem atemberaubenden Spiel aus Licht und Schatten seine Flügel. Der Wind zerrte an ihrem Gewand und spielte mit ihrem Haar, und für den winzigen Augenblick, den sie in der Luft waren, fiel ihr Magen ins Bodenlose. Nach der Landung hob sie noch immer lächelnd den Blick und sah, dass Galen sie mit dem Anflug eines bedächtigen Lächelns betrachtete. »Du hattest keine Angst«, stellte er fest.
»Was?« Während sie darauf wartete, dass er sie absetzte, ließ sie ihre Tasche auf den Boden fallen. Nur knapp konnte sie dem Drang widerstehen, die Nähe zwischen ihnen auszunutzen und ihm die zu langen Haare zurückzustreichen, die ihm wieder bis auf die Wimpern fielen. »Nein. Das ist nicht der Grund, weshalb ich nicht fliege.«
Ein Hauch von Eis und Frühling lag in Galens Augen, und er blickte sie so lange an, bis ihr nichts anderes übrig blieb, als ihm zu antworten, ihm ein Geheimnis zu offenbaren. Dieses Geheimnis war so furchtbar und so tief, dass sie nie zuvor mit jemandem darüber gesprochen hatte, nicht einmal mit Keir, den sie seit Jahrtausenden kannte. »Es ist, weil ich es zu sehr liebe.«
Direkt nach diesem Geständnis traf die Verwundbarkeit sie wie ein Schlag in die Magengrube, unter dem sie sich zusammengekrümmt hätte, wenn nicht Arme aus heißem, lebendigem Eisen sie festgehalten hätten. »Lass mich runter.« Sie könnte es nicht ertragen, das Mitleid auf den harten Konturen seines Gesichts zu sehen.
»Jetzt, wo ich dein Geheimnis bereits kenne … «, sagte er stattdessen und rieb sein Kinn sanft an ihrem Haar. »Möchtest du eine Runde fliegen?«
Jessamy blieb das Herz stehen. »Es würde die Sehnsucht nur verschlimmern«, flüsterte sie und hob eine Hand, um ihm das dichte, seidige Haar zurückzustreichen, dessen Farbe an das strahlende Herz eines Sonnenuntergangs in den Bergen erinnerte.
»Ich kann stundenlang ohne Pause fliegen.« Er zog sie noch fester an sich, seine wilde Hitze brannte sich in ihre Haut und drang ihr bis ins Blut. »Außerdem«, murmelte er, ohne den Blick von ihr abzuwenden, »bist du in der Luft viel sicherer als überall sonst.«
Was er ihr anbot, versetzte sie in Angst und Schrecken. Nicht nur seine Flügel … sondern auch glutheiße Emotionen, die zu verbergen er sich keinerlei Mühe gab. Es hatte nichts mit Mitleid zu tun. »Galen.«
Er senkte den Kopf und sprach so dicht an ihrer Haut, dass es beinahe ein Kuss war, nur einen Atemhauch waren seine Lippen von ihren entfernt. »Halte dich gut fest.« Und dann machte er vom Rande des Felsvorsprungs vor seinem Wohnquartier einen Schritt
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