Dunkle Visionen
erzählen.
Aber irgendetwas in ihr sträubte sich. Jimmy war der Einzige, der ihre Träume und Visionen von Anfang ernst genommen hatte, und sie wusste, dass sie den Respekt, den sie mittlerweile bei den meisten Leuten vom Morddezernat genoss, allein Jimmy zu verdanken hatte.
Nicht Kyle. Sie konnte Kyle nichts erzählen. Er schaute sie noch immer durch seine dunklen Gläser an, seine Berührung und sein Tonfall hatten etwas Drängendes.
„Madison, was du siehst, ist gefährlich, verstehst du das denn nicht? Es ist gefährlich für den Mörder und damit auch für dich. Ich meine, ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie ich mich gefühlt habe, als ich glaubte, du würdest in mein Privatleben eindringen. Stell dir einen Mörder vor …“
Sie riss sich von ihm los und starrte ihn wütend an. „In dein Privatleben eindringen?“ wiederholte sie leise.
„So habe ich es damals empfunden. Aber ich habe es dir schon gesagt, ich war zu jener Zeit völlig am Boden zerstört, und mein Verhalten tut mir Leid. Aber wenn dem Mörder durch irgendeinen dummen Zufall etwas von deinen Fähigkeiten zu Ohren kommt, dann …“
„Ich werde mir sehr genau anschauen, mit wem ich in nächster Zeit ins Bett gehe, Kyle“, sagte Madison spitz. „Danke, dass du dir solche Sorgen um mich machst.
Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und zwang sich, langsam zum Haus zurückzugehen.
5. KAPITEL
G egen acht Uhr abends war Jordan Adairs Party in vollem Gang. Kyles Vater war unter den ersten Gästen gewesen, und Jordan und Roger hatten sich mit einer langen, freundschaftlichen Umarmung begrüßt. Rafes Begrüßung, der wenig später eintraf, fiel nicht weniger herzlich aus.
Auch Jimmy Gates, der über die Jahre hinweg ein guter Freund der Familie geworden war, erschien im Verlauf des Abends auf der Bildfläche.
Kyle und Jimmy begegneten einander mit vorsichtiger, professioneller Wertschätzung. Sie würden ab Montag zusammenarbeiten.
Dann war Kaila mit ihren drei Sprösslingen eingetroffen, sie wirkte abgekämpft und angespannt. Kyle, Rafe und deren Vater bewunderten ihren Nachwuchs, während sie erklärte, dass Dan, ihr Mann, später nachkommen werde. Kaila machte einen schrecklich nervösen Eindruck. Jassy, die ganz reizend aussah in ihrem ärmellosen engen schwarzen Cocktailkleid, eilte gleich herbei, um ihr das Baby abzunehmen. Eine Minute später kam Madison dazu. Ohne Kyle eines Blickes zu würdigen, drängte sie sich an ihm vorbei und nahm sich der beiden älteren Kinder an. Älter! Der Kleinste, Anthony, war noch nicht einmal zwei; Shelley war dreieinhalb, und der Älteste, Justin, war fünf. Kaila war sichtlich froh, einen Moment Ruhe zu haben, und nahm erfreut Rafes Angebot, ihr eine Piña Colada zu mixen, an.
Kaila hatte ebenso wie Madison lange, dunkelrote, über die Schultern herabfließende Haare, große blaue Augen und feine Gesichtszüge. Kyle fand sie sehr schön, und wenn die beiden Schwestern von der Art her nicht so verschieden gewesen wären, hätte man sie leicht verwechseln können. Auch ihre Bewegungen waren verschieden. Kaila hatte etwas Verhuschtes, Ängstliches an sich; sie bewegte sich oft abrupt. Madisons Bewegungsablauf hingegen hatte etwas Fließendes. Er war graziös und geschmeidig. Irgendwie …
Sinnlicher, entschied er, als sie sich an ihm vorbeidrängte.
Und offensichtlich war sie wieder einmal wütend auf ihn.
Heute Abend trug sie Smaragdgrün. Für Rothaarige war es in den meisten Fällen besser, kein Grün zu tragen, aber an ihr sah es sensationell aus. Ihr Kleid, das von einem Nackenband gehalten wurde, war schulterfrei, die Haare hatte sie sich hochgesteckt, und ihr Rücken war bis zur Taille nackt.
Kyle war der Meinung, ein derart perfekter Rücken gehörte verboten. Jedes Mal, wenn sie in seiner Nähe stand, war er versucht, mit dem Finger darüberzustreichen.
So versucht wie jeder andere Mann sicher auch, dachte er trocken.
Nachdem Madison die Kinder in Carrie Annes Zimmer gebracht hatte, mischte sie sich lässig unter die Gäste.
Kyle registrierte, dass sie es vermied, in seine Nähe zu kommen. Offensichtlich war sie noch immer wütend auf ihn. Es war ihm anscheinend nicht gelungen, sich ihr verständlich zu machen. Dabei machte er sich nur Sorgen, das war alles. Und sie schien nicht zu begreifen, dass ihr diese seltsame Fähigkeit, die sie besaß, gefährlich werden konnte. Er beobachtete sie, wie sie angeregt plauderte, zuhörte und lachte, und verspürte einen kleinen
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