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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Stimme klang jetzt sanfter und verständnisvoller. »Du bist eine wunderschöne Frau, Kitty, und siehst jedes Jahr besser aus. Du siehst keinen Tag älter als dreißig aus.«
    Sie kreischte: »Ich will aber wie zwanzig aussehen!«
    »Gute Nacht, Kitty«, sagte er in einem verächtlichen Ton.
    »Ich werde auch nicht mehr zwanzig und weine dem nicht nach. Was war schon so wunderbar daran, zwanzig zu sein, außer daß man unsicher war? Jetzt weißt du, wer und was du bist; ist das keine Erleichterung?«
    Nein, denn zu wissen, wer und was sie war, jagte ihr anscheinend Entsetzen ein.
    Jedenfalls hatte Cal in diesem Sommer Zimmer in einem schönen Strandhotel bestellt, um Kittys traumatischen sechsunddreißigsten Geburtstag zu feiern. Es war August, im Zeichen des Löwen, und wir drei saßen unter einem Sonnenschirm. Kitty, in ihrem knappen Bikini, war die Sensation am Strand. Sie weigerte sich, unter dem rot-weiß gestreiften Sonnenschirm hervorzukommen. »Meine Haut ist so empfindlich, ich bekomme so leicht einen Sonnenbrand…
    Aber geht ihr nur, Heaven und Cal. Kümmert euch nicht um mich. Ich werde hier sitzen und still vor mich hin leiden, während ihr euch vergnügt.«
    »Warum hast du mir nicht gesagt, daß du nicht an den Strand willst?«
    »Du hast mich nicht gefragt.«
    »Aber ich dachte, du schwimmst und badest gerne.«
    »So gut weißt du also über mich Bescheid – nämlich überhaupt nicht.«
    Die Ferien waren ein Reinfall, und hätten doch so schön sein können, wenn Kitty nur mit uns gebadet hätte, aber sie zog es vor, uns die Zeit zu vergällen.
    Am Tag, an dem wir aus den Ferien zurückkehrten, setzte mich Kitty an den Küchentisch, holte ihr großes Maniküre-Set hervor und machte mir meine erste Maniküre. Ich schämte mich meiner kurzen, abgebrochenen Nägel und bewunderte ihre immer makellosen, langen Nägel mit gepflegtem Nagelbett. Ich lauschte aufmerksam, als sie mir beibrachte, wie man die Nägel richtig pflegt. »Du darfst nicht dauernd an deinen Nägeln herumkauen und mußt nu’ anfangen, eine richtige Frau zu werden. Für die Hillbilly-Mädchen ist es ja nu’ keine Selbstverständlichkeit, sich so anmutig und fein wie eine richtige Frau zu geben. Es dauert seine Zeit, und es kostet Anstrengung, außerdem muß man dabei viel Geduld mit den Männern haben.«
    Die Klimaanlage machte ein leises, schwirrendes und hypnotisierendes Geräusch.
    »Sind sich alle gleich, weißt du, auch die Süßholzraspler.
    Solche wie Cal. Wollen alle nur eines, und als Hillbilly-Mädchen weißt du ja, was es ist. Wollen nur bumsen, und wenn du dann ‘n Baby kriegst, wollen sie’s nicht. Sagen dann,
    ‘sist nicht von ihnen, auch wenn es stimmt. Wenn sie dir ‘ne Krankheit andrehen, ist es ihnen egal. Also hör auf meine Ratschläge und fall auf keinen dieser Schmeichelbubis –
    meinen mit eingeschlossen – herein.«
    Kitty hatte meine Nägel hellrosa angemalt. »So. Sehen jetzt besser aus, weil du nicht mehr mit dem Waschbrett und mit Seifenlauge hantierst. Die Knöchel sind nicht mehr so rot geschwollen. Gesicht ist auch wieder in Ordnung – also, fehlt dir was?«
    »Nein.«
    »Nein, was?«
    »Nein, Mutter.«
    »Liebst mich doch, oder?«
    »Ja, Mutter.«
    »Würdest mir doch nichts wegnehmen, oder?«
    »Nein, Mutter.«
    Kitty stand auf. »Hab’ noch einen harten Arbeitstag vor mir.
    Racker’ mich ab, um die anderen schön zu machen.« Sie seufzte tief und sah auf ihre Stöckelschuhe herab. Für eine so große Frau hatte sie auffallend zierliche Füße; ebenso wie ihre Taille, schienen sie einer zarten und schmächtigen Person zu gehören.
    »Mutter, warum trägst du bei der Arbeit nicht Schuhe mit flachen Absätzen? Es ist doch unnötig, daß du den ganzen Tag so unbequeme, schmerzhafte Schuhe trägst.«
    Kitty sah geringschätzig auf meine nackten Füße. Ich versuchte, sie unter dem weiten Rock, der beim Sitzen bis auf den Boden reichte, zu verbergen.
    »Die Schuhe, die man trägt, verraten den Charakter, und meiner ist aus dem richtigen Material, nämlich aus Stahl. Ich kann Schmerzen ertragen, ich kann leiden – du eben nicht.«
    Ihre Art zu denken, war ganz schön verrückt. Ich schwor mir, daß ich ihre zu kleinen Schuhe nie wieder erwähnen würde, die ihre Zehen verunstaltet hatten. Sollte sie doch Fußschmerzen haben – was ging mich das an?
    Der Sommer bestand fast nur aus Hausarbeit, und nur an Samstagen ging ich aus. Bald kündigte sich der Herbst an, und in den Auslagen der Geschäfte

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