Dunkle Wasser
hatte, was ich Logan sagen konnte, war es Mittagszeit.
Ich mußte nun wohl mein Versprechen, Sandwich und Milch zu besorgen, einhalten und saß noch an meinem Pult, als alle anderen schon zum Mittagessen hinausgegangen waren.
»Heaven, willst du mir etwas sagen?« fragte Miß Deale.
Ich wollte sie um ein Sandwich für Keith und Unsere-Jane bitten, aber ich brachte es nicht fertig. Ich stand auf, lächelte verlegen und eilte hinaus, meine Augen krampfhaft auf den Korridorboden geheftet, während ich betete, daß ich eine Münze dort finden würde – und in dem Augenblick tauchten Logans graue Schuhe auf. »Ich dachte, daß du mit Tom herauskommen würdest.« Er sah ernst aus, auch wenn seine Augen dabei lächelten. »Willst du mit mir Mittagessen gehen?«
»Ich esse nie zu Mittag.«
Meine Antwort verwunderte ihn. »Jeder Mensch ißt zu Mittag. Also, komm mit, es gibt Hamburgers, Shakes und Pommes frites.«
Sollte das heißen, daß er mein Mittagessen auch bezahlen wollte? Mein Stolz war verletzt. »In der Mittagspause muß ich auf Unsere-Jane und auf Keith aufpassen…«
»Na gut, dann sind sie mit eingeladen«, sagte er beiläufig,
»und ich lade wohl auch besser gleich Tom und Fanny ein, falls du gerade an sie denkst.«
»Wir können unser eigenes Mittagessen bezahlen.«
Eine Sekunde lang wußte er nicht recht, was er dazu sagen sollte. Er warf mir einen kurzen Blick zu und zuckte mit den Schultern. »Bitte, wenn du es so haben willst.«
Mein Gott – ich wollte es nicht so haben! Aber mein Stolz war größer.
Er ging neben mir zu den unteren Klassen. Gewiß würde er seine Einladung nun bereuen, dachte ich mir. Unsere-Jane und Keith standen wartend vor ihren Klassenzimmern, beide sahen verschreckt und ängstlich aus. Unsere-Jane warf sich mir schluchzend in die Arme. »Können wir jetzt was essen, Hevlee? Mein Bauch tut weh.«
Zugleich plapperte Keith von einem Thunfischbrot, das ich ihm versprochen hätte. »Hat Miß Deale uns zwei geschickt?«
fragte er, und sein kleines Gesicht strahlte erwartungsvoll. »Ist heut Montag? Hat sie uns Milch mitgebracht?«
Ich versuchte Logan anzulächeln, der das Ganze beobachtete und Unsere-Jane und Keith nachdenklich ansah. Schließlich wandte er sich lächelnd zu mir. »Wenn du lieber ein Thunfischbrot magst, dann müssen wir uns beeilen, vielleicht hat die Cafeteria noch welche.«
Jetzt konnte ich nichts mehr dagegen unternehmen, da Unsere-Jane und Keith wie Füchse, die die Spur einer Henne gewittert haben, zur Cafeteria eilten. »Heaven«, sagte Logan ernst, »ich habe noch nie einem Mädchen erlaubt, ihr Mittagessen zu bezahlen, wenn ich sie eingeladen habe. Bitte, sei mein Gast.«
Kaum hatten wir die Cafeteria betreten, hörte ich schon das Geflüster und Gewisper – was wollte Logan von der schäbigen Casteel? Tom saß schon da, als habe Logan ihn eingeladen, und ich fühlte mich gleich besser. Ich brachte ein Lächeln zustande und half Unserer-Jane, sich an den langen Tisch zu setzen. Keith drängte sich ganz eng an sie und blickte schüchtern um sich. »Wollen alle immer noch ein Thunfischbrot und ein Glas Milch?« fragte Logan und bat Tom, ihm zu helfen, das Essen an den Tisch zu bringen.
Unsere-Jane und Keith blieben bei ihrer Wahl, und ich stimmte zu, einen Hamburger und eine Cola zu probieren. Während Tom und Logan weg waren, schaute ich mich nach Fanny um.
Sie war nicht in der Cafeteria. Das machte mir Sorgen. Fanny hatte ihre eigenen Methoden, zu einem Mittagessen zu kommen.
Um uns herum flüsterten alle gehässig, es schien ihnen gleichgültig zu sein, ob ich es hörte oder nicht. »Was will er denn von der? Sie ist doch bloß ein Hillbilly. Seine Familie scheint wohlhabend zu sein.«
Logan Stonewall zog viele Blicke auf sich, als er und Tom glücklich lächelnd mit Thunfischbroten, Hamburgers, Pommes frites, Shakes und Milch zurückkamen. Unsere-Jane und Keith waren von so viel Speisen geradezu überwältigt. Sie wollten meine Cola, meinen Hamburger und die Pommes frites probieren, schließlich blieb mir nur die Milch, und Unsere-Jane trank die Cola, indem sie ihre Augen vor lauter Wonne fest geschlossen hielt. »Ich hole dir noch eine«, bot ihr Logan an, aber ich ließ es nicht zu. Er hatte schon mehr als genug für uns getan.
Ich erfuhr, daß er fünfzehn Jahre alt war. Er freute sich zu hören, wie alt ich war. Er wollte sogar meinen Geburtstag wissen, als würde das irgend etwas bedeuten, aber ihm schien es wichtig zu sein; seine
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