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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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der halbe Saum herunterhing, entdeckt hatte, und meine ausgetretenen Schuhe, aber Unsere-Jane wehrte sich dagegen.
    »Mir ist schlecht«, jammerte sie. »Will nach Hause, Hevlee.«
    »Du kannst nicht immer nach Hause gehen«, flüsterte ich ihr zu. »Du schaffst sonst die erste Klasse nicht, wenn du immer krank bist. Vielleicht kann ich dir und Keith ein Sandwich zu Mittag besorgen – und auch etwas Milch.«
    »Thunfisch«, jubelte Keith, und bei dem Gedanken an ein halbes Thunfischbrot ließ Unsere-Jane meine Hand los und ging langsam trippelnd ins Klassenzimmer, wo alle anderen Erstkläßler bereits herumtobten und lachten.
    Ich eilte meinen beiden Schützlingen nach, allerdings nur so schnell, daß mich Logan Stonewall vor dem Klassenzimmer der Kleinen eingeholt hatte. Ich drehte mich um und sah, wie er gerade Tom begrüßte. Logan sah so aus wie irgend jemand aus den Büchern und Zeitschriften, die ich gelesen hatte. Er wirkte, als ob er aus einer guten Familie käme, die ihm etwas auf den Weg gegeben hatte, was wir aus den Bergen niemals besitzen würden – nämlich Stil. Er hatte eine schmale, gerade Nase, seine Unterlippe war voller und geschwungener als seine Oberlippe. Sogar aus einiger Entfernung spürte ich das warme Lächeln in seinen blauen Augen. Sein Kinn war ziemlich eckig und stark ausgeprägt, und als er mich anlächelte, wurde ein Grübchen in seiner linken Wange sichtbar. Sein selbstsicheres Auftreten machte mich verlegen, ich fürchtete, daß ich irgend etwas Verkehrtes sagen oder tun könnte. Er würde sich dann bestimmt Fanny zuwenden. Es war vollkommen gleichgültig, wenn Fanny etwas falsch machte, die Jungen flogen stets auf sie.
    »Hallo, Fremder«, zwitscherte Fanny. Sie kam tänzelnd auf ihn zu und lächelte ihn an. Fanny hatte sich noch nie darum gekümmert, Unsere-Jane und Keith zu ihren jeweiligen Klassenräumen zu begleiten. »Bist der bestaussehende Junge, der mir je begegnet ist.«
    »Fanny, meine Schwester«, stellte Tom sie vor.
    »Hallo, Fanny.« Logan streifte sie nur kurz mit den Augen.
    Er wartete darauf, mir vorgestellt zu werden.
    »Und das ist meine Schwester Heaven Leigh.« Es lag viel Stolz in Toms Stimme, als hätte er mein häßliches, verwaschenes Kleid nicht bemerkt und nicht daran gedacht, daß ich Grund hatte, mich meiner Schuhe zu schämen. »Das kleine Mädchen dort, das gerade aus der ersten Klasse herausguckt, ist meine jüngste Schwester – wir nennen sie Unsere-Jane. Der Junge mit den kastanienbraunen Haaren, der zu uns herübergrinst, ist mein Bruder Keith. Geh in dein Klassenzimmer, Keith; du auch, Unsere-Jane.«
    Wie konnte sich Tom so natürlich neben einem gutangezogenen Stadtjungen geben? Ich war ganz außer mir vor Aufregung, als seine saphirblauen Augen mich auf eine Art und Weise ansahen, wie ich noch nie angesehen worden war.
    »Was für ein hübscher Name«, sagte Logan. Unsere Augen trafen sich. »Der Name paßt sehr gut zu dir. Ich habe noch nie so ›himmlisch‹ blaue Augen gesehen.«
    »Und ich hab’ schwarze Augen«, quakte Fanny und verstellte mir den Weg. »Jeder kann so blaue Augen haben wie Heaven.
    Deine blauen Augen gefallen mir viel besser.«
    »›Kornblumenblau‹, sagt Miß Deale zu Heavenlys Augenfarbe«, erklärte Tom weiterhin mit unverhohlenem Stolz. »Im Umkreis von zehn Meilen gibt’s kein Mädchen, das diese blauen Augen hat.«
    »Das glaube ich…« murmelte Logan Stonewall geistesabwesend und starrte mich immer noch an.
    Ich war damals erst dreizehn; er kann nicht älter als fünfzehn, höchstens sechzehn gewesen sein. Wir konnten unsere Blicke nicht voneinander lösen, und es war, als ertöne ein Gong, dessen Widerhall durch unser ganzes Leben klingen würde.
    Es war aber nur die Schulglocke, die geläutet hatte.
    Die drängelnden Schüler eilten in ihre Klassenzimmer, bevor die Lehrer auftauchten, und das ersparte es mir, etwas zu sagen. Tom saß schon in der Schulbank und lachte über das ganze Gesicht. »Heavenly, so was hab’ ich noch nie gesehen, so wie du in allen Schattierungen rot geworden bist. Logan ist doch nur ‘n ganz normaler Junge. Er ist vielleicht besser angezogen und sieht besser aus, aber er ist trotzdem nur ‘n ganz normaler Junge.«
    Ihm ging es also nicht so wie mir; aber er kniff die Augen zusammen und sah mich auf eine eigenartige Weise an. Dann wandte er sich mit gesenktem Kopf von mir ab, und auch ich blickte zu Boden.
    Miß Deale betrat das Klassenzimmer, und bevor ich mir noch überlegt

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